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Betonblock im Gleisbett entdeckt

Die Anti-Castor-Proteste starteten am Wochenende im Wendland mit geringerer Beteiligung als erwartet. 15.000 Polizisten sollen Atommülltransport sichern. Atomgegner rufen zu „zivilem Ungehorsam“ mit Schienen- und Straßenblockaden auf

aus dem Wendland JÜRGEN VOGES

Bauern rückten mit Treckern an, ein Teil der Demonstranten kam zu Fuß oder mit dem Fahrrad, manche reisten mit dem Auto an: Mehrere tausend Menschen kamen am Wochenende ins Wendland, um gegen den bevorstehenden Castor-Atommülltransport ins Zwischenlager zu protestieren. Die Beteiligung fiel etwas geringer aus als von den Veranstaltern erwartet.

Zu einer Demonstration in Lüneburg am Sonnabend kamen nach Angaben der Polizei 5.000 Atomkraftgegner. Die Veranstalter sprachen von 8.000 Menschen, hatten aber 10.000 erwartet. Ein starkes Polizeiaufgebot verhinderte am Sonntag eine verbotene Demonstration in Splietau bei Dannenberg. An mehreren Aktionen im Gebiet nahmen dann jeweils immer einige hundert Atomkraftgegner teil.

Bis zuletzt hatte die Bürgerinitiative juristisch um ihre Kundgebung in Splietau auf der Straße zwischen Dannenberg und Gorleben gekämpft. Noch am Samstag in Lüneburg hatte BI-Sprecher Ehmke den Teilnehmern der Auftaktdemonstration versichert, dass die Wendländer trotz des Verbotes in jedem Fall auf ihrer Kundgebung in Splietau beharren würden.

Gegen das Verbot der Versammlung in Splietau durch die Bezirksregierung Lüneburg hatten die Anwälte der BI nicht nur das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg angerufen. Sie versuchten am Freitag sogar vergeblich, das Bundesverfassungsgericht zu erreichen. Und am Sonntagmorgen, als die Konvois der wendländischen Bauern schon meist vor Polizeisperren festsaßen, beantragten sie in Lüneburg noch die Zulassung einer Kundgebung für den Rest der Demonstranten.

Vor den 500 Demonstranten, die sich bis zum Platz der verbotenen Kundgebung in Splietau durchgeschlagen hatten, musste die BI-Vorsitzende Edelgard Gräfer dann aber doch verkünden, dass „unser Hiersein nicht genehmigt ist“. Die BI verlegte die Kundgebung gezwungenermaßen in das kleine Dörfchen Breese in der Marsch nördlich von Dannenberg.

Schon am frühen und kalten Morgen hatte die Polizei den Aufbruch von gleich fünf Trecker-Konvois registriert, die sich auf Splietau und auf die Polizeisperren „sternförmig zubewegten“. Ein Konvoi von gut dreißig Traktoren blockierte an einer Polizeisperre schließlich eine Hauptverkehrstraße bei Dannenberg. Ein anderer wurde auf einer nördlichen Route in Richtung Gorleben von der Polizei gestoppt. Die Castorgegner packten daraufhin Bänke und Klapptische aus und veranstalteten mitten auf der Straße eine komfortable Sitzblockade.

Auf einer scherzhaft gemeinten „Democard“ für die Teilnehmer hatten die Veranstalter geraten: „Bei Übergriffen gewaltbereiter Uniformierter: 1. Gott vertrauen! 2. Laut schreien: ‚Hilfe Polizei!‘ 3. Keine Aussage machen! Rechtsbeistand anrufen!“

An der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg entdeckten Polizeibeamte einen Betonblock im Gleisbett. Die Röhren eigneten sich für eine Ankettaktion. Beim Castortransport im März hatten Atomkraftgegner den Zug mit einer solchen Aktion einen Tag lang aufgehalten.

Bei der Demonstration in Lüneburg rief ein Sprecher der Anti-Atom-Initiative „X-tausendmal quer“ zu massenhaftem „zivilen Ungehorsam“ auf. Er kündigte Schienen- und Straßenblockaden an. Zu ernsthaften Zwischenfällen kam es bis gestern jedoch nicht.

Die Polizei kündigte an, das Demonstrationsverbot entlang der Transportstrecke des Castor auf jeden Fall durchzusetzen. „Die Strecke für den Castor bleibt für Demonstrationen und Aktionen tabu“, hieß es bei der Einsatzleitung. Rund 15.000 Beamte sollen den zweiten Atommülltransport in diesem Jahr aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben sichern. Der Atommülltransport mit sechs Castorbehältern sollte nach Informationen der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Frankreich gestern Abend im Verladebahnhof Valognes bei La Hague abfahren. Die Behälter werden für Mittwoch im Zwischenlager Gorleben erwartet.

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