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Prozess gegen Mopo-Reporter, der Ex-Staatsrat Prill verleumdet haben soll  ■ Von Elke Spanner

Montag Abend pflegt Staatsrat Wolfgang Prill das Haus im Trainingsanzug zu verlassen. Gegen 20 Uhr, sagte er gestern vor Gericht, fährt er mit seinem Sohn zum Badminton. Eine Stunde Spiel, danach kurz in die Sauna, gegen 22 Uhr sind sie wieder zu Hause. Die Boulevardzeitung Mopo hatte Prill Anfang des Jahres in Verdacht gebracht, seine Freizeit ganz anders zu gestalten: Jeden ersten Montag im Monat sei Prill Stammgast im Bordell Funny-Club auf dem Lokstedter Steindamm.

Zwar wurde das SPD-Mitglied in dem Artikel namentlich nicht genannt. Für einen Teil der Leser seien die Behauptungen aber auf Prill zurückzuführen gewesen, befand die Staatsanwaltschaft und klagte Mopo-Reporter Thomas Hirschbiegel wegen übler Nachrede an. Der muss sich seit gestern vor dem Amtsgericht verantworten.

Hirschbiegels Text war mit dem Titel „Ein Video, der Pate, sein Club – Hamburger Politiker tief im Sex-Sumpf“ überschrieben. Darin behauptete der Polizeireporter, dass ein „Pate“ des Hamburger Rotlichtmilieus ein Videoband besitze, das „einen der einflussreichs-ten Politiker“ beim Sex mit mehreren Frauen im Funny-Club zeige. Außerdem will Hirschbiegel gewusst haben, dass jener Politiker stets im Wagen seiner Frau zum Bordell gefahren sei. Seiner Gattin habe er etwas von „wichtigen Terminen“ erzählt.

Der Artikel nannte nicht einen einzigen Beleg für diese Behauptungen. Weder nannte Hirschbiegel, der wegen unsauberer journalistischer Arbeit bereits im August 1999 vom Deutschen Presserat eine Missbilligung kassierte, seine Quelle noch hatte er selber das Video zum Beweis. Sein Verteidiger Gerhard Strate wies den Anklagevorwurf gestern damit zurück, dass die Mopo Prill nicht namentlich genannt und folglich auch nicht verleumdet habe.

Die Staatsanwaltschaft hält dagegen, dass einem größeren Personenkreis dennoch klar gewesen sei, auf wen das Blatt angespielt hatte. Denn das Gerücht, Prill verkehre im Funny-Club, hatte Hirschbiegel schon Monate zuvor in die Innenbehörde getragen. Im August vorigen Jahres hatte er dem Polizeisprecher Hans-Jürgen Petersen davon erzählt. Der hatte über seinen Vorgesetzten die Polizei-Führungsebene informiert. Der Leiter der Kripo-Abteilung Organisierte Kriminalität, Manfred Quedzuweit, hatte Prill daraufhin mitgeteilt, dass gegen ihn „eine Intrige“ gesponnen werde. Als dann ein halbes Jahr später der Artikel erschien, ging Prill umgehend mit einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit: „Ich muss davon ausgehen, dass ich damit gemeint bin.“ Die Vorwürfe wies er strikt zurück. Das Gericht muss nun entscheiden, ob jemand ohne Namensnennung verleumdet werden kann.

Hätte es für die Behauptungen Beweise gegeben, hätte das Prill seine Karriere gekostet: Als Staatsrat in der Innenbehörde war er mitverantwortlich für die Bekämpfung von Menschenhandel und Zuhälterei. Der Prozess wird fortgesetzt.

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