Schröders Option eins

Der Kanzler ist weiter für Rot-Grün, die Abstimmung wird aber Folgen für künftige Koalitionsverhandlungen haben

BERLIN taz ■ Der SPD-Generalsekretär Franz Müntefering ist bekannt für seine knappen, telegenen Statements. Wie die Koalition am Donnerstag abstimme, sei für die Welt sicherlich keine Frage, „für uns eine“, meinte er gestern nach der Sitzung des SPD-Parteivorstandes in Berlin.

Auf Spekulationen über ein Ende der Koalition wollte sich Müntefering dann aber doch lieber nicht einlassen. Schon gar nicht darüber, ob der Kanzler nicht die Vertrauensfrage stellen müsse: „Die Vertrauensfrage richtet sich an den Deutschen Bundestag“, meinte Müntefering und deutete damit an, dass der Regierung auch im Falle einer nicht vorhandenen eigenen Mehrheit für den Bundeswehreinsatz an der Fortsetzung ihrer Arbeit liegt. Daran ändert in der Substanz auch nichts der gestrige Besuch des FDP-Chefs Guido Westerwelle, der Schröder am Vormittag im Kanzleramt aufsuchte. Müntefering stellte klar, dass der Kanzler am selben Tag ja auch mit der Union sprechen wollte. Für eine „breite Mehrheit“ solle „nichts unversucht bleiben“. Westerwelles Besuch dürfte seine öffentliche Wirkung dennoch nicht verfehlen. Im Parteivorstand, versicherte Müntefering, sei die Koalitionsfrage nicht erörtert worden. Es bleibe dabei, dass die SPD hoffe, in „erster Option“ die rot-grüne Koalition über 2002 hinaus fortsetzen zu können. Indirekt aber soll der Kanzler, hieß es in Berlin, auf der Vorstandssitzung über die Folgen laut nachgedacht haben: Die Abstimmung werde sich auch auf mögliche Koalitionsüberlegungen nach 2002 auswirken. Generalsekretär Franz Müntefering drückte sich vor den Medien verhaltener aus: Der Kanzler erwarte, dass die Grünen sich um eine breite Zustimmung „bemühen“.

Im SPD-Parteivorstand wurde die Fraktion gestern einmütig aufgefordert, der Bereitstellung von 3.900 Soldaten zuzustimmen – lediglich eine Gegenstimme kam vom Landtagspräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Hinrich Kuessner. Mit der Empfehlung an die Fraktion verabschiedete der SPD-Vorstand auch vier Initiativanträge für den Bundesparteitag kommende Woche, darunter einen Leitantrag zur Sicherheits- und Außenpolitik. In dem umfassenden Papier werden zahlreiche Punkte aufgenommen, die unstreitig die Zustimmung auch des linken Flügels finden werden – so eine Stärkung der Krisenpräventions- und Friedenspolitik, der Rolle der EU und der UN. Doch wird der Partei eben auch abverlangt, den Beschluss der Bundesregierung zur Militärhilfe zu unterstützen. Gestern Abend wollte Schröder mit der parlamentarischen Linken im Kanzleramt zusammenkommen – ein tiefgreifender Konflikt wurde nicht erwartet; schließlich hatten ihre führenden Vertreter dem Kanzler vergangene Woche ihre Unterstützung signalisiert.

SEVERIN WEILAND