Einfach Dendemann, einfach gut

Wenn Konsens richtig Sinn macht: Die beiden Hamburger HipHopper von Eins, Zwo sind das Beste, was dem deutschen Rap bislang passiert ist. Heute spielen sie im ColumbiaFritz

Manchmal kommt man als erwachsener Mensch in Erklärungsnotstände. Was man denn bitte schön an diesem deutschen HipHop-Zeugs fände? Und tatsächlich, selbst die Besten haben ihre schwachen Seiten: Samy Deluxe rappt zwar schwerelos wie keiner, aber hat nicht wirklich viel zu sagen, 5 Sterne Deluxe oder Fettes Brot sind mitunter arg pubertär und Die Absoluten Beginner leider längst von den Teenies vereinahmt.

Zum Glück aber gibt es noch Eins, Zwo. Auf das Duo aus Hamburg kann man sich noch mit dem derbsten DeutschHop-Hasser problemlos einigen. Thomas Jensen aka DJ Rabauke und Daniel Ebel aka Dendemann scheinen ein geradezu unheimliches Gespür für den kleinsten gemeinsamen Nenner zu besitzen, ohne im Mittelmaß zu versinken: Respekt vor der Vergangenheit verbindet sich bei ihnen mit Mut zur Neuerung, Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Kultur geht harmonisch im Einklang mit wohltuender Distanz zur eigenen Person. Deswegen wohl habe man, hat Dendemann in Interviews schon festgestellt, nie herhalten müssen „für irgendwelche Scheiße, die im HipHop passiert“.

Stattdessen gelten ihre Veröffentlichungen als Meilensteine der deutschsprachigen Rap-Kultur. Ihre Debüt-Maxi „Sport“ und das erste Album „Gefährliches Halbwissen“ packten Text so dicht wie hierzulande vorher nicht gehört über einerseits spartanisch funkige, andererseits fantasievolle Tracks. Der erklärte Nicht-Bücherleser Dendemann türmte zuvor ungehörte Assoziationsketten, Binnenreim-Kaskaden und Wortspiel-Akrobatik, ohne dass darunter die Rhythmik gelitten hätte.

Während sich die Konkurrenz noch stritt, ob nun Battle oder Storytelling der wahre HipHop sei, ließ Dendemann längst schon kein Thema mehr aus, sei es Rap als solcher, die eigene Geschichte mit HipHop oder persönliche Befindlichkeiten. Noch dazu schrieb er mit Witz, Selbstironie und Stilsicherheit. Ein Standard war gesetzt und wurde bislang nicht wieder erreicht.

Auf dem neuen Album „Zwei“ nun hat der Rapper die Lorbeeren ausgebreitet und es sich verhältnismäßig entspannt darauf bequem gemacht. „Ich bin ja nur der Dendemann“, rappt er und nimmt sich mehr Zeit für persönlichere Themen, lässt mehr Platz, auf dass der Fluss der Worte doch tatsächlich noch runder wird, und ein paar Pausen, dass Rabaukes Turntable-Artistik noch besser zur Geltung komme.

Die überragende Technik der beiden dient jetzt nur mehr dazu, sich selbst unauffällig zu machen, und steht so nur mehr allein im Dienste von Text und Rhythmus. Nun grooven Eins, Zwo zwar fett und elegant wie nie zuvor, haben sich aber ihr reduziertes Klangbild bewahrt und sind immer noch weit davon entfernt, die üblichen Kopfnicker-Klischees zu bedienen.

Einerseits ist die erste Single „Discjockeys“ eine Lehrstunde über die Gründertage der HipHop-Kultur, andererseits stieg das Album ganz locker auf elf in den Charts ein. Selten wohl klang Konsens so gut. Eins, Zwo sind das Beste, was dem deutschen Rap bislang passiert ist. Und wären doch andererseits auch ohne den Rest vom Fest nicht denkbar – und nicht nur, um sich vom Diktat des Mittelmaßes umso schillernder abheben zu können.

Während andere Aktivisten sich scheinbar nur negativ definieren können über eine Abgrenzung zu anderen, beziehen sich Eins, Zwo stets auf ihre Zeitgenossen, wissend, dass ihr HipHop nicht denkbar ist ohne Vorarbeit der Pioniere und Begleitung der Mitstreiter. Deswegen spielt Rabauke auch auf „Zwei“ per Sampler wieder Soundbites aus der bundesdeutschen Rap-Geschichte ein, und Dendemann zitiert immer noch die eigenen Kollegen, genreübergreifend diesmal auch Tocotronic, schönes altes deutsches Liedgut oder ein Amiga-Hörspiel.

So ganz nebenbei hat Dendemann auch noch die Deepness entdeckt, nach der Kollegen wie Curse seit Jahren vergeblich auf der Suche sind. Als wäre es gar nichts, führt er mal eben die Betroffenheitslyrik in den deutschen HipHop ein: „Vatertag“ dürfte der persönlichste Text sein, der hierzulande jemals gerappt wurde, ohne dass man auch nur einen Moment der Peinlichkeit fürchten müsste. Ja, gut, sehr, sehr gut, dass es Eins, Zwo gibt: Man muss sich nicht mehr so allein fühlen als erwachsener Mensch mit deutschem HipHop. THOMAS WINKLER

Heute, 20.30 Uhr, mit Square One und DabruTrack im ColumbiaFritz, Columbiadamm 9–11