Vom Geheimdienst geplant

Am Ende des La Belle-Prozesses ist für die Richter „erhebliche Mitverantwortung des libyschen Staats“ erwiesen. Hohe Haftstrafen und Vorwürfe wegen mangelnder Mithilfe der Bundesregierung

von HEIKE KLEFFNER

Mit hohen Haftstrafen für vier von fünf Angeklagten und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen endete vor dem Landgericht Berlin der Prozess um den Bombenanschlag auf die überwiegend von afroamerikanischen GIs besuchte Berliner Diskothek „La Belle“ im April 1986. Das Attentat sei von „Mitarbeitern des libyschen Geheimdienstes federführend geplant“ worden, erklärte der Vorsitzende Richter Peter Marhofer gestern in der Urteilsbegründung. Hintergrund seien Auseinandersetzungen zwischen Libyen und den USA gewesen. Das Gericht sei in dem vierjährigen Prozess zu der Überzeugung gelangt, „dass den libyschen Staat zumindest eine erhebliche Mitverantwortung trifft“. Die Frage, ob das Attentat mit Wissen von Libyens Staatschef Gaddafi geplant wurde, blieb unbeantwortet. „Dafür spricht zwar einiges, dies ließ sich aber im Prozess nicht sicher klären,“ so Marhofer.

Aufgrund der schwierigen Beweislage und widersprüchlicher Aussagen der Angeklagten folgte das Gericht in der Strafzumessung weitgehend den Anträgen der Verteidigung. Als diejenige, die den Sprengsatz in der Disko platzierte, wurde Verena Chanaa (40), geschiedene deutsche Ehefrau des angeklagten Palästinensers Ali Chanaa wegen dreifachen Mordes und 104fachen Mordversuchs zu 14 Jahren Haft verurteilt. Ali Chanaa und der mutmaßliche Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes Musbah Eter erhielten wegen Beihilfe zu Mord und Mordversuch jeweils zwölf Jahre in Haft. Eter soll die Bombenbauanleitung überbracht haben, und der als IM „Alba“ für den DDR-Staatssicherheitsdienst tätige Chanaa war beim Basteln des Sprengsatzes dabei.

Wegen Beihilfe zum Mord wurde auch der als hauptverantwortlich für den Anschlag geltende staatenlose Palästinenser Yasser Chraidi verurteilt. Auf die Haftstrafe von 14 Jahren soll laut Gerichts dessen Auslieferungshaftzeit im Libanon angerechnet werden, so dass Chraidi noch knapp dreieinhalb Jahre hinter Gittern verbringen muss. Einen Freispruch gab es für Andrea Häusler, die jüngere Schwester von Verena Chanaa. Ihr konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie über die Bombe in der Handtasche ihrer Schwester informiert war. In ihrem Fall folgte das Gericht den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Bei den vier anderen Angeklagten hatte die Staatsanwaltschaft lebenslange Haftstrafen wegen Mordes beantragt. Generalstaatsanwalt Dieter Neumann kündigte an, dass die Ankläger Revision einlegen würden.

Zuvor hatte Richter Marhofer ungewöhnlich scharfe Kritik an den Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft sowie an der Bundesregierung geübt. Zu den Enttäuschungen des Prozesses gehöre die „sehr eingeschränkte Bereitschaft der Bundesregierung und der zuständigen Stellen in den USA, das Gericht bei der Aufklärung der Rolle Lybiens zu unterstützen,“ betonte Marhofer. Enttäuscht zeigten sich auch die rund 50 Opfer des Anschlages, die der Urteilsverkündung beiwohnten. „Ich hatte auf lebenslänglich gehofft,“ sagte Edwina Johnson, die als 19-jährige durch den Anschlag Hautverbrennungen und eine schwere Knieverletzung erlitten hatte. „Wir stehen noch immer mit leeren Händen da.“ Nach Ansicht von Nebenklägervertreter Andreas Schulz seien durch das Urteil allerdings die Möglichkeiten gestiegen, im US-amerikanischen Rechtssystem Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen geltend zu machen. Auch die Bundesregierung müsse sich jetzt gegenüber Libyen für Entschädigungszahlungen einsetzen. Bei dem Attentat waren drei Menschen getötet und über 200 teilweise schwer verletzt worden.