dieser verdammte krieg (xxxLL)
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ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Die Quoten und die Toten

Kabul gefallen, die Ratlosigkeit gestiegen, das Drama das gleiche. Erst war der Anschlag, dann die Solidarität, dann die „uneingeschränkte Solidarität“. Als der Krieg kam, bröckelte die Solidarität.

Das ist immer so, es braucht Zeit, bis die Enthusiasten merken, dass Bomben Menschen treffen, nicht den Terrorismus. Dieselbe Zeit brauchte jeder fünfte Amerikaner, um in einer Umfrage zu klagen, es gebe zu viel humanitäre Hilfe für Afghanistan. Gegen das Zerbröckeln der Solidarität wirkten drei Dinge:

1. Anthrax brachte die Bedrohung potenziell in jedes Haus. Kurzfristig hielt man Bin Laden sogar für einen Gegner des Arbeitsamtes in Neumünster.

2. Immer mehr Alliierte wurden einbezogen, es war wirklich plötzlich vieler Länder Krieg, ja, der halben Welt Krieg.

3. Erfolgsmeldungen.

Da aber Bush weiß, wie oft sein Pentagon schon die Unwahrheit in diesem Krieg gesagt hat, kündigte er mal wieder eine Rede an die Nation an. Aber plötzlich erklärte sich von vier großen TV-Anstalten nur eine einzige bereit, für die Ausstrahlung der Rede Prime Time zu räumen – man sagt, weil auf dem Sendeplatz sowieso ein Quoten-Verlierer saß, während den Konkurrenten die Ausstrahlung von „Friends“ und „Survivor“ („Inselduell“) wichtiger war.

So strahlte nur ABC jene Rede aus, die die Einheit der Nation in Kriegszeiten beschwören sollte und unwillentlich verriet: Es gibt auch im Krieg höhere Werte als die Einheit, z. B. die Einschaltquote. Die „Friends“ und die „Survivor“ aber sind jetzt in Kabul zu besichtigen, demnächst auch im Fernsehen.

MORGEN: Wiglaf Droste

Anmerkungen: unfried@taz.de