Romantisierende Besatzer

Der Dreiteiler „Rivalen unterm Halbmond“ legt einen schönfärberischen Schleier über die französische Kolonialgeschichte. Phantastereien und Liebesaffären beschäftigen die Protagonisten mehr als der Krieg (Do., Fr. und Sa., 20.45 Uhr, Arte)

von GITTA DÜPERTHAL

Die französische Kolonisierung Algeriens sei eine Geschichte von Blut und Gewalt gewesen, diktiert Odilon Hubert 1871 einem jungen Journalisten in den Block. So beginnt Francois Lucianis dreiteiliges Geschichtsdrama „Rivalen unterm Halbmond“ (Buch: Henri de Tourenne, Robert Soulé), ein opulentes Werk, das von Liebe, Politik, Verrat, Frauenunterdrückung, Hass und Krieg handelt. Eigentlich eine hervorragende Idee, die konfliktreiche Geschichte Frankreichs und Algeriens, die 1958 in den Unabhängigkeitskrieg mündete, auf diese Weise zu thematisieren. Zumal sie sich noch heute in offenem Rassismus der ehemaligen Kolonialmacht gegenüber den Algeriern niederschlägt.

Der Film beginnt als Rückblick: Odilon (Aladin Reibel) und sein Freund Hélie Toussaint (Olivier Sitruk) sind im militärischen Einsatz in Algerien, hängen aber ihrem idealistischen Traum nach, „eine neue Welt erschaffen zu wollen, in der alle Menschen unabhängig von Religion und Rasse gleich sind“. Die Freunde sind unterschiedlicher Auffassung. Odilon will die Araber durch Unterwerfung unter die französischen Gesetze „zivilisieren“, Hélie die arabische Identität möglichst weitgehend erhalten.

Während die beiden Hauptfiguren des Films jene realitätsferne Scheindebatte führen, die die Welt in „Zivilisierte und Unzivilisierte“ aufteilt, wurden – wie die Geschichte weiß – Fakten mit Waffen geschaffen. Im Film ist davon wenig zu sehen. Stattdessen erfährt von der Bestürzung der beiden romantisierenden Besatzer, die über Kriegsgetümmel und die blutige Machtergreifung der Franzosen wortgewandt den Fraternisierungsschleier legen. Die Dialoge sind rassistisch: „Ich versank in der arabischen Welt, einer Mischung aus Erhabenheit, Poesie und Grausamkeit, wo jedes Wort ein Befehl Gottes ist“, sagt Odelin etwa.

Betrachtet man die Ideologie, die dieser Fernsehdreiteiler transportiert vor dem Hintergrund der Debatte über amerikanische Bomben auf Afghanistan, ist eine verblüffende Kontinuität zu konstatieren. Die verächtlich machende Darstellung des Islam gleicht der aktuellen Kriegslegitimation westlicher Prägung. Während das Liebes- und Familienleben und die Gefühlslage der französischen Besatzer ausufernd geschildert ist, sieht man die Algerier stets als Horden säbelrasselnder Araber über den Bildschirm toben: Es geht zur Sache. Was Theodor Lessing als „Geschichtswahn“ bezeichnete, ist im Film auf die Spitze getrieben.

Bleibt noch die Liebe. Beide Freunde verlieben sich in arabische Frauen. Hélie lässt sich gar beschneiden, um seine Angebetete zu heiraten. Zu allem Überdruss muss er das Resultat des geforderten Rituals zwei entfernten Onkels der Braut vorweisen, Brautgeld in Form von 1000 Francs und 50 Schafen zahlen. Mit Odilon und seiner arabischen Dienstmagd gibt es wunderbar heiße Umarmungen zu sehen, bevor dieser erfahren muss, dass Naouel (Saida Jawad) ihm von Emir Abel-Kader geschickt ward, um ihn auszuspionieren. So weit, so schön. Staubige Geschichte durch Liebesszenen und soziokulturelle Einblicke aufzupeppen, das hat was. Dass Allah stets groß ist, islamische Frauen den Unterwerfungsgestus mit der Muttermilch aufgesogen hätten – ein Konglomerat an Vorurteilen in emotionalisierter Verpackung. Nur am Rande erfahren wir, dass das Frauenbild der Franzosen, trotz der Revolte in der neuen Republik 1848, so anders gar nicht ist. Die „Dienerin und Geliebte in einer Person“ steht bei den scheinliberalen französischen Charmeuren ebenso hoch im Kurs.