„Qualifikation – nicht das Parteibuch“

Weil sich die Medien nicht für die Unabhängigen im ZDF-Fernsehrat interessieren, bleibt deren Einfluss auch jetzt gering

Die ZDF-Intendantensuche bleibt bizarr: Jetzt wirft die SPD der Union Stimmenkauf vor. Doch im Wahlgremium, dem Fernsehrat, sitzen auch VertreterInnen ohne Parteibuch – wie BUND-Chefin Angelika Zahrnt

taz: Sehen Sie sich überhaupt in der Lage, wie geplant am 6. Dezember mit gutem Gewissen über einen neuen ZDF-Intendanten abzustimmen?

Angelika Zahrnt: Ich sehe mich sehr wohl in der Lage abzustimmen – ganz unabhängig von dem ganzen Hin und Her im Vorfeld. Schließlich gibt es eine Reihe von Kandidaten, die ich gut einschätzen kann.

NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement will das Ganze neu aufrollen und angeblich auch weitere Kandidaten präsentieren. Sie halten das nicht für nötig?

Nein. Wenn er das so wichtig findet, hätte er sich das früher überlegen können. Ich gehe davon aus, dass da nichts mehr kommt.

Und er hat den Einfluss der Parteien scharf kritisiert . . .

Naja. Der ist ja nicht nur bei der Wahl so groß, sondern generell im Fernsehrat. Und Herr Clement ist daran genauso beteiligt wie andere Politiker auch. Aber es stimmt: Im Vordergrund muss die Qualifikation der Kandidaten stehen und nicht das Parteibuch.

Bisher ging es aber mehr um die Parteizugehörigkeit als um Kompetenzen und Visionen. Sie sitzen für keine Partei im Fernsehrat, sondern für den BUND. Warum haben die parteiunabhängigen Mitglieder sich nicht stärker eingemischt?

Die Medien interessieren sich leider nicht so sehr für die unabhängigen Mitglieder – obwohl diese im Fernsehrat die Merheit ausmachen. Und es gibt ja nur zwei „Freundeskreise“ – den der SPD und den der Unionsparteien. Leider haben wir keinen grauen, lila oder bunten für diejenigen, die sich nicht parteipolitisch gebunden fühlen. Sie sind untereinander nicht vernetzt.

Haben diese Mitglieder überhaupt was zu sagen?

Man bleibt außen vor, wenn man nicht zu einem der beiden Freundeskreise gehört. Das passt mir nicht, aber es ist so. Dort sind wir dabei, auch wenn kaum jemand zu den inneren Zirkeln gehört.

Und erreichen konkret was?

Ich habe mich im SPD-Freundeskreis sehr dafür ausgesprochen, dass es eine Frau wird, und dass sie von außen kommt. Deshalb bin ich für Dagmar Reim – eine qualifizierte unabhängige Kandidatin, die man nicht einer parteipolitischen Seite zurechnen kann. Genau diese Argumente haben dazu geführt, dass die SPD sich jetzt wohl darauf verständigt, Frau Reim vorzuschlagen.

Manche geben der NDR-Funkhauschefin Dagmar Reim wenig Chancen: Sie solle durch die ZDF-Kandidatur nur für höhere Aufgaben beim NDR aufgebaut werden, heißt es . . .

Das ist mir nicht bekannt, noch kann ich mir das vorstellen. Frau Reim hat sich das lange überlegt, so was macht man nicht als Versuchsballon. Außerdem wissen die CDU-Leute in der Findungskommission immer noch nicht, wen sie ins Rennen schicken sollen. Das ist auf jeden Fall ein deutlicher Vorteil für Frau Reim.

Andrea Urban, Leiterin der Jugendschutzstelle Niedersachsen, ist Mitglied der Findungskommission und hat schwer wiegende Vorwürfe erhoben, die Union wolle ihre Stimme kaufen. Nur: Hätte sie dann nicht auch Ross und Reiter direkt benennen müssen?

Ja, das ist etwas misslich, dass sie das nicht genauer gesagt hat. Der Vorwurf hängt jetzt so diffus in der Luft. Aber das ist Sache von Frau Urban.

Kann ein Fernsehrat in einer solchen Lage überhaupt noch seine Funktion als Kontrollinstanz ausüben?

Durchaus. Glauben Sie ja nicht, dass sich innerhalb der Freundeskreise immer alle einig wären. Da wird natürlich kontrovers diskutiert. Ich sage immer meine Meinung.

Lassen wir die Realpolitik mal beiseite. Ihre Vision für einen besseren Fernsehrat?

Es wäre absolut notwendig, dass sich die nicht organsierten Mitglieder zusammentun. Bei der ARD klappt das ja. Und auch für’s ZDF wäre das wünschenswert – auch wenn es schwierig ist, da gerade viele von uns „Unabhängigen“ sich nicht quasi hauptberuflich mit Medien- bzw. ZDF-Politik beschäftigen können. Da sind die Parteienvertreter natürlich viel näher dran. INTERVIEW:
S. GRIMBERG/A. KÜHN