PRO: SCHRÖDER MUSSTE VERTRAUENSFRAGE UND KRIEGSEINSATZ KOPPELN
: Keine Erpressung

Hätte sich der Bundeskanzler bei der Entscheidung über den Kriegseinsatz der Bundeswehr vom politischen Gegner abhängig macht, dann wären seine Tage als Regierungschef gezählt. Schließlich geht es nicht nur um die Entsendung von knapp 4.000 Soldaten. Tatsächlich wird morgen auch über die Verantwortung für die Konsequenzen mitentschieden, die aus diesem ersten Schritt entspringen. Dazu gehören etwa mögliche Auswirkungen auf Haushaltsplanungen oder die politischen Folgen, sollten Soldaten im Zinksarg zurückkehren. Anders als die Regierungsfraktion kann sich die Opposition dieser Verantwortung mühelos entziehen. Deshalb braucht der Kanzler eine Regierungsmehrheit. Dies im letzten Moment erkannt zu haben, zerstreut aufkeimende Zweifel am politischen Verstand Schröders, der noch am Wochenende meinte, eine parlamentarische Mehrheit reiche.

Nachdem sich acht Abgeordnete der Grünen festgelegt haben, gegen den Kriegseinsatz zu stimmen, blieb Schröder gar keine andere Wahl, als diese Abstimmung mit der Vertrauensfrage zu verbinden. Das ist keine Erpressung, sondern dient schlicht der Feststellung seiner Regierungsfähigkeit unter den gegebenen bündnispolitischen Voraussetzungen. Schröder muss, ob er das nun persönlich möchte oder nicht, den Nato-Verpflichtungen nachkommen, will er das transatlantische Bündnis nicht aufkündigen und damit einen deutschen Sonderweg beschreiten. So einfach und grausam ist Bündnispolitik. Sollten die grünen Abgeordneten trotzdem ihrem Gewissen folgen, ist das ehrbar – aber auch das Ende der Koalition.

Für die Grünen rächt sich nun, dass sie sich nie hinreichend über die Folgen des Nato-Bündnisses für eine Regierungspartei verständigt haben. Entsprechend fehlt den Kriegsgegnern jetzt eine hinreichend begründete bündnispolitische Alternative, wie Europa künftig unabhängiger von dem US-Führungsanspruch sein könnte. Bis zur Entwicklung und Realisierung einer solchen eigenständigen europäischen Sicherheitspolitik haben die Grünen als Regierungspartei nur eine Möglichkeit: Sie müssen, ob kritisch oder nicht, die Bündnisverpflichtungen mittragen. Opposition geht in diesem Fall nur in der Opposition. EBERHARD SEIDEL