„Das ist keine Terrorismusbekämpfung“

Klaus Jansen, Vize der Deutschen Kriminalbeamten, kritisiert die Eskalation von Maßnahmen im „Sicherheitspaket II“

taz: Sie haben das Sicherheitspaket II von Bundesinnenminister Otto Schily als „teuer und wirkungslos“ bezeichnet. Warum?

Klaus Jansen: Aus fachlicher Sicht finde ich zum Beispiel die fälschungssicheren Personalpapiere gut. Was aber bringt eine so teure Investition, wenn man weiß, dass die Terroristen vermutlich keine Deutschen sind?

Darum will Schily die bessere Datenspeicherung auch in die Visa-Erteilung einführen.

Selbst wenn man die Attentäter biometrisch bei der Visa-Erteilung erfasst hätte, hätte man nichts gewonnen. Sie waren nicht vorbestraft und wollten in Deutschland studieren – man hätte sie nicht abweisen können. Damit kann die Bundesregierung Missstände im Ausländerrecht bekämpfen, aber nicht den Terrorismus.

Wie findet man die Schläfer dann? Per Rasterfahndung?

Das ist aus den gleichen Gründen der falsche Ansatz. Es kann sein, dass wir mit dem Raster hundert Studenten identifizieren. Wir wissen aber nicht, ob das Zeitbomben sind oder unschuldige Mitbürger. Sollen wir jetzt diese hundert Leute rund um die Uhr beobachten? Damit legen wir die ganze Polizei lahm – ohne Ergebnis.

Was müsste Ihrer Ansicht nach geschehen?

Innenpolitiker müssten sich zusammensetzen – wie das US-Politiker tun – und alle Sicherheitskomponenten betrachten, die zu Zeiten des Kalten Krieges funktionierten: Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Zoll und so weiter. Diese Institutionen müssten intensiver miteinander kommunizieren.

Sie wollen ein deutsches FBI einrichten – obwohl das amerikanische die Anschläge nicht verhindern konnte?

Wir wollten damit Ruhe und Sachverstand in die Diskussion hineinbringen. Was wir jetzt haben, ist doch eine Eskalation von Vorschlägen. Die CDU hat neulich schon eine Weltpolizei verlangt – ja, das gibt es vielleicht bei Raumschiff Enterprise. Eine Maßnahme wird an die nächste gereiht, alles sieht irgendwo nach Terrorismusbekämpfung aus – bringt uns in der Praxis aber nicht weiter. Wir geben sehr viel auf für den Preis, dass wir nur vielleicht einen sichereren Staat kriegen.

Ist mit Ihnen denn gar nicht geredet worden?

Überhaupt nicht. Das heißt nicht, dass die tun sollen, was wir als Fachverband der Kriminalpolizei vorschlagen. Aber man hätte unser Wissen abschöpfen können.

Otto Schily wollte schnelle Handlungsfähigkeit beweisen.

Dann hätte er lieber die Atomkraftwerke mit Flugabwehrraketen schützen müssen, wie es die Franzosen machen. Man kann doch nicht ernsthaft sagen, AKWs sind mögliche Ziele, und dann nichts unternehmen. Wir kriegen in Deutschland offenbar erst Handlungszwang, wenn es einen Anschlag gibt.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN