Probleme mit dem Sex Out of Area

Vor Afghanistan: Wehrbeauftragter listet auf, womit sich die Soldaten im Ausland schwer tun – Offiziere, Sex, Alkohol

BERLIN taz ■ Noch vor seiner grundsätzlichen Entscheidung heute Mittag, ob deutsche Soldaten sich am Krieg in Afghanistan beteiligen sollen, hat sich der Bundestag gestern mit den Problemen bei Auslandseinsätzen befasst. Und davon gibt es reichlich. Das ist dem Bericht des Wehrbeauftragten Willfried Penner zu entnehmen, den das Plenum diskutierte.

Schon die Frage, wer den Auslandseinsatz antreten muss und wer das freiwillig will, hat den Wehrbeauftragten beunruhigt. Die Einsatzplaner der Bundeswehr zogen teilweise rücksichtslos Soldaten und Offiziere heran, die triftige Gründe fürs Zuhausebleiben vorweisen konnten. Einen Oberleutnant, der mit dem Bau eines Hauses beginnen wollte, ließen die Planungsstäbe für den Kosovo-Einsatz erst aus ihren Fängen, als Willfried Penner sich für ihn einsetzte. Ein Oberfeldwebel musste mit, obwohl die Geburt seines ersten Kindes unmittelbar bevorstand.

Am rüdesten musste sich ein Hauptfeldwebel behandeln lassen. Wegen seines schwerbehinderten Sohnes hatte der Unteroffizier um Befreiung vom Einsatz gebeten. Der Kommandeur berücksichtigte dies nicht – und pöbelte den Hauptfeldwebel auch noch an. Als dieser mit einem Rechtsanwalt drohte, schnarrte der Offizier den Vater des Behinderten an: „Das wird Sie hoffentlich einen Haufen Geld kosten.“

Willfried Penner bezeichnete solches Verhalten in seinem Bericht als „mit den Grundsätzen der inneren Führung unvereinbar“. Die Unflexibilität der Einsatzplaner ist umso unverständlicher, als es offenbar viele Armeeangehörige gibt, die sich stark für einen Auslandseinsatz interessieren – und zurückgewiesen werden.

Andere Bundeswehrler führen sich im Ausland wie kleine Könige auf. Ein Oberst ernannte gleich zwei Mann zu seinen Adjutanten. Für den Obristen, den die Bundeswehr mit dem Titel „Dienstältester Deutscher Offizier“ ausgestattet hatte, mussten ein Feldwebel und ein wehrübender Oberleutnant dienen – sie mussten seine Wäsche wegbringen, die Privatpost aufgeben und Botengänge erledigen.

Kopfzerbrechen bereitete dem Wehrbeauftragten der Sex Out of Area. Denn die Stäbe der Bundeswehr kommen mit der Libido ihrer Kämpfer überhaupt nicht zurecht. Zwar gibt es eine Führungshilfe „Umgang mit Sexualität“, die Tipps für Vorgesetzte enthält. Aber die Truppenplaner des Verteidigungsministers gestehen offen zu: „Es ist kaum anzunehmen, dass gerade für junge Soldaten bei einem mehrmonatigen Einsatz ein Gebot strikter sexueller Enthaltsamkeit durchzusetzen sei.“ Wie auch? Ihr Vorbild ist ja Scharping.

Der Wehrbeauftragte gibt den Rat, dass die Kommandeure und Chefs sich „sachgerecht und einfühlsam“ des Themas Sex annehmen sollten. Gratisausgabe von Pornoheftchen? Freiminuten für Telefonsex? Freiflüge nach Mallorca? – Was Penner damit genau meint, ist nicht klar, denn das Kapitel seines Berichts endet hier wenig einfühlsam.

Klarer sind Penners Hinweise für den Suff. Dass die Bundeswehr hier einschlägige Erfahrungen hat, zeigen die Erlebnisse eines Oberstleutnants beim Auslandseinsatz. Der hohe Offizier ließ sich, obwohl schon betrunken, mit Bier übergießen und degradierte sich anschließend selbst – vor den Augen ausländischer Gäste. Penner bat, das abzustellen. CHRISTIAN FÜLLER