Jenseits der Pose

Wende ohne Ende: Die Galerie argus fotokunst zeigt Arbeiten von Konrad Hoffmeister – für manche ist er der August Sander vom Prenzlauer Berg

Ein Fotograf ist bekanntlich jemand, der sich an der Wirklichkeit abrackert. Selten ist er saturiert, selten kann es ihm die Welt Recht machen. Konrad Hoffmeister ist so einer. Obwohl er mit seinen 75 Jahren ein imposantes Werk geschaffen hat, ist der Mann nicht zufrieden. Bei der Vernissage zu einer Werkretrospektive in der Galerie „argus fotokunst“ gestand er jüngst, dass die Welt keine Geheimnisse mehr habe. „Die Substanz der Welt ist aufgebraucht“, so sein nüchternes Fazit. Was klingt, wie die ewige Rumhuberei am Material, kommt für den Fotografen einer Katastrophe gleich. In einem kleinen Manifest zur Ausstellung schreibt er lakonisch: „Alle Bilder sind gemacht. Alle Themen wurden bearbeitet“.

Hoffmeister, der in den 70ern und 80ern als Porträtfotograf das Gesicht des Arbeiter- und Bauernstaates festhielt, indem er recht posenlos Repräsentanten verschiedenster Berufsgruppen fotografierte, scheint in seinem eigenen Job an die Grenzen gekommen zu sein. Die Schonung, die er einst den kleinen Helden der Arbeit gönnte, indem er sie auf seinen Aufnahmen jeglicher Pose entledigte und so aus dem sozialistischen einen sozialen Realismus formte, scheint er für sich nicht gelten zu lassen. „Alles ist nochmals zu bedenken“, schreibt er, um mit seinen jüngsten Arbeiten, die er „fotografische Bildkombinationen“ nennt, den Gedanken umgehend Taten folgen zu lassen.

Als Konrad Hoffmeister 1957 beschloß, sich als freier Fotograf durchzuschlagen, wurde er zunächst durch seine Architekturaufnahmen bekannt. Für den Stararchitekten der DDR, Hermann Henselmann, machte er Aufnahmen vom Wiederaufbau Berlins. Jetzt, über 40 Jahre später, scheint ihm das Bild der Stadt nicht mehr zu genügen. Auf seinen Bildkombinationen, die gelungene und humorvolle Retuschen sind, würfelt er die Optik Berlins neu zusammen. Wenn schon alle Häuser in jeglichem Licht gestanden haben, dann wird die Dunkelkammer eben zum Baukasten. Mitten auf dem Pariser Platz etwa hält auf seinen neuen Stadtansichten eine S-Bahn, und der Fesselballon vom Potsdamer Platz macht einen Abstecher zum Französischen Dom. Hoffmeister, der mit seiner Strickmütze ein wenig wie Hans W. Geissendörfer aussieht, wird im Alter zum Posthistoire-Fan: der Fotograf ist tot, es lebe die Flickschusterei.

Dabei ist er bis dato nicht einmal durch avantgardistische Experimente aufgefallen. Als er Anfang der 50er Fotografie studierte, beschäftigte er sich überwiegend mit Positionen der Jahrhundertwende. Bis zu seinen späten Porträtarbeiten ist Hoffmeister immer wieder mal mit August Sander verglichen worden. Auffälliger aber noch sind Parallelen zum einstigen „Magnum“-Fotografen Stefan Moses. Wie dieser machte sich auch Hoffmeister kurz nach der Wende auf, um die Veränderungen bei den Menschen im Osten zu fotografieren. Heraus kam ein Zyklus mit dem Titel „Ansichten zu Deutschland“, 150 Bilder, die bisher in 80 Ausstellungen gezeigt worden sind. Mithin kein Grund zum Klagen. Doch Hoffmeister ist eben Fotograf. Die Welt wird ihm somit nie ein perfektes Bild abgeben.

RALF HANSELLE

Bis 28.11., Mi-So, 14-18 Uhr, Galerie „argus fotokunst“, Marienstr. 26, Mitte