„Das kann ich zu Hause nicht verkaufen“

Die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk ist frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und eine der acht GegnerInnen des Bundeswehreinsatzes. Sie gehört zu den vieren, die gestern dennoch Ja gesagt haben

taz: Wie haben Sie in der Gruppe der acht Gegner eines Bundeswehreinsatzes entschieden, wer mit Nein stimmen darf?

Irmingard Schewe-Gerigk: Es wurde kolportiert, es habe ein Losverfahren gegeben. Das ist natürlich Quatsch. Ich hatte ja schon am Vortag für mich beschlossen: Eine so weitreichende Entscheidung muss der Parteitag treffen – also stimme ich mit Ja, um der Partei die Option zu lassen, für oder gegen die Koalition zu stimmen. Im Übrigen haben wir das Dilemma gelöst, gegen den Militäreinsatz zu stimmen, aber die Koalition nicht zu beenden.

Musste mit Ja stimmen, wer die Entscheidung seinem Wahlkreis verkaufen kann?

Nein, ich kann meine Entscheidung in meinem Wahlkreis auch nicht verkaufen. Ich bekomme jetzt Anrufe aus dem Wahlkreis, das ist wirklich katastrophal. Viele sagen, sie seien enttäuscht von mir, sie könnten mich nicht mehr wählen, da wird eine schwere Zeit auf mich zukommen. Ich werde arbeiten müssen, um meine Gründe zu vermitteln.

Und wie vermitteln Sie die nun Ihrer Basis?

Ich versuche, die Absurdität des Verfahrens zu erläutern. Wenn ich mit meiner Stimme die Koalition beendet hätte, dann wäre der Bereitstellungsbeschluss dennoch gefasst worden. Zu einer Ausführung dieses Beschlusses wäre es womöglich nie gekommen, ich hätte also einen hohen Preis gezahlt für etwas, was möglicherweise gar nicht eingetreten wäre.

Die Landesverbände geben Ihnen Rückendeckung, sie wollen mehrheitlich in der Koalition bleiben.

Das Votum kam nach meiner Entscheidung, und es ist ein Votum der Landesvorstände. Die Mitglieder sehen das vielfach anders. Das wird sehr schwierig in Rostock werden.

Nun scheint die Militäraktion erfolgreich zu verlaufen, die afghanischen Frauen sind befreit. Aus welchen Gründen votieren Sie dennoch strikt gegen Militäreinsätze?

Wenn wir die Frauenrechte zum Maßstab nehmen, dann müssten viele Länder der Welt bombardiert werden. Ich hätte mir robuste Polizeieinsätze zum Ergreifen Bin Ladens und eine Anklage vor einem Internationalen Strafgericht gewünscht. Deutschland sollte humanitäre Hilfe leisten und sich dafür einsetzen, die Ursachen zu bekämpfen, anstatt Soldaten zu schicken.

Militärexperten sagen, Polizeieinsätze wären nicht möglich gewesen, ohne dass man vorher die Taliban, die die Terroristen schützen, verjagt.

Offensichtlich gibt es hier unterschiedliche Einschätzungen. Bisher sind solche Polizeieinsätze aber noch gar nicht versucht worden.

Was passiert, wenn der Parteitag gegen einen Militäreinsatz stimmt?

Ich halte Militäreinsätze auch für falsch und kann das nur unterstützen. Nach einem Parteitagsbeschluss gegen den Einsatz der Bundeswehr ist die Frage, wie die grünen Mitglieder der Bundesregierung darauf reagieren – und ob der Beschluss an das Ende der Koalition gekoppelt ist.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH