Fischer ist der Sieger

Dank der Vertrauensfrage kann der Außenminister hoffen, den Parteitag für seine Linie zu gewinnen

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Im Morgengrauen fiel die Entscheidung. Im Abgeordnetenbüro der Grünen trafen sich die so genannten Abweichler, um zu entscheiden, wer nun zustimmen muss. Vier würden dem Kanzler das Vertrauen aussprechen, so hatte man am Vorabend Fraktions- und Parteispitze versprochen. Damit war die Mehrheit gesichert. Eine typisch grüne Lösung.

Nur wer sollte es tun? Einig war man sich, dass man als so kleine Gruppe nicht das Recht hatte, die Koalition platzen zu lassen. Schließlich lief es pragmatisch: Am weitesten aus dem Fenster gelehnt hatten sich Winfried Hermann, Christian Simmert, Annelie Buntenbach und Christian Ströbele. Sie durften Nein sagen. Steffi Lemke war die letzte, die sich aufs Ja verpflichten ließ. Am liebsten hätte sie ihr Mandat hingeschmissen. Dies war der Moment, wo sich auflöste, was fünf Tage lang die deutsche Politik in Atem hielt. Für kurze Zeit waren die Abweichler die prominentesten Deutschen, ständig umringt von Kameras. Im Bundestag wurde es sehr einsam um Steffi Lemke, als sie die Haltung der acht erläuterte: Ja zu Schröder. Nein zum Afghanistan-Einsatz. Kollektiv ausgedrückt durch viermal „Ja“ und viermal „Nein“. Gepöbel aus der Union, spärlicher Applaus aus den eigenen Reihen.

Man hatte bei den Grünen keinen direkten Druck auf die Zweifler ausgeübt. Musste man ja auch nicht mehr – angesichts einer historischen Bundeswehrentscheidung und der Vertrauensfrage. Es gab kaum einen Grünen, der nicht über die Verquickung beider Fragen klagte.

Doch es gibt auch Nutznießer. Vor allem Joschka Fischer.

Denn indirekt wurden die Grünen damit auch auf seine Linie gezwungen. Fischer war es, der am Montag als Erster mit Gerhard Schröder über dessen Vorstoß sprach. Ein Realo aus der Fraktion behauptet gegenüber der taz, Fischer hätte Schröder gar zugeraten zur Vertrauensfrage. Der Außenminister selbst wollte das nicht kommentieren, sein Umfeld dementiert. Gestern machte Fischer das Vertrauensvotum im letzten Satz dennoch zur eigenen Sache: „Und deshalb bitte ich Sie um Ihr Vertrauen.“

Die Zustimmung in der Sache, das war auch in der Parteispitze die größere Sorge gewesen. Für sie war nicht der Freitag, sondern bereits der Montag entscheidend: Als die Parteichefs Fritz Kuhn und Claudia Roth erstmals im Vorstand die beiden Extrempole bei einer Entscheidung einnahmen. Kuhn mit seinem „Ja, aber“ zu Schröders Antrag und Roth mit einem „Nein, solange nicht“. Und Roth in einem echten Kompromiss mitging und später auch Schröder die „Eingrenzung des Einsatzes“, wie vom Parteirat am Montag beschlossen, akzeptierte. Dies ebnete die breite Zustimmung der Fraktion und war die Voraussetzung für einen möglichen Erfolg auf dem Parteitag.

Doch es war die Verquickung mit der Vertrauensfrage, die an der Parteibasis den Umschwung brachte. Hatten vor einer Woche noch elf Landesverbände gegen einen Kriegseinsatz votiert, so ergab eine parteiinterne Telefonkonferenz am Mittwoch beinahe einstimmig die Aufforderung, die Koalition nicht platzen zu lassen. Nur der Landesvorstand aus Brandenburg hielt dagegen.

In den unzähligen Mails, die seit einer Woche auf die Fraktionsbüros einprasselten, änderte sich ebenfalls der Ton: Trotz der Bedenken soll man doch dem Einsatz zustimmen und die Koalition fortführen.

Darüber muss nun der Parteitag entscheiden. Ironischerweise haben die acht die Entscheidungslinie bereits vorgegeben. Skepsis in der Sache, aber ein klares Ja zu Schröder und der Koalition. Besser hätte es für Fischer nicht laufen können.