An der Basis wird der Abweichler zum Helden

Als Wortführer der Kriegsgegner hat der schwäbische Abgeordnete Winfried Hermann seine Populariät enorm gesteigert. Die Parteifreunde sehen das nicht gern. Die einen sagen, er habe sich vergaloppiert. Die anderen behaupten, ihm gehe es nur um einen Listenplatz für die nächste Wahl

BERLIN taz ■ Die Neinsager geraten auch aus den Ländern unter Druck. Dem Abgeordneten Winfried Hermann wird jetzt vorgeworfen, er habe den Pazifismus bei der Vertrauensabstimmung im Bundestag nur aus taktischen Gründen hochgehalten. Tatsächlich sei es Hermann um einen aussichtsreichen Listenplatz für die nächste Bundestagswahl gegangen, behauptet der grüne Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Dieter Salomon. Mit seinem Verhalten sei Hermann nun „der Held der Basis“, ätzte Salomon in der Stuttgarter Zeitung. Dieses Verhalten werde dem Tübinger nichts nutzen. Schließlich habe Hermann seine Parteifreunde als Kriegstreiber verunglimpft und sich damit selbst in Abseits manövriert.

Winfried Hermann war in den letzten Wochen zum Sprecher der Zweifler in der Grünenfraktion avanciert. Sobald er den Reichstag betrat, sah er sich von Kameras umringt. Seine klaren Worte haben viele verärgert. Dabei war der 49-jährige Hermann bislang nicht durch harte Haltungen aufgefallen. Im Gegenteil: Hermann ist eher harmoniesüchtig und war fünf Jahre lang selbst Landeschef der Grünen. Ein pragmatischer Linker. Doch mit dem Einsatz in Afghanistan, sagt er, sei eine Grenze überschritten worden.

Bei der Kosovo-Abstimmung hatte sich der überzeugte Kriegsdienstverweigerer noch widerwillig einbinden lassen. Das sah er rückblickend als Fehler, den er nicht wieder begehen wollte. Deshalb legte er sich früh öffentlich fest. „Wenn du in die entscheidende Fraktionssitzung mit Zweifeln gehst“, sagt er, „dann bist du nur noch Knetmasse.“

Damit machte er es sich allerdings schwer, auf neue Entwicklungen wie die Vertrauensfrage oder die Befreiung Kabuls zu reagieren. „Er hat sich vergaloppiert“, sagen wohl meinende Realos in der Fraktion. „Er will nur einen Listenplatz“, behaupten die Böswilligen. Sie streuen diesen Vorwurf schon seit einiger Zeit, um Hermann zu diskreditieren. Ein merkwürdiger Vorwurf, der wohl nur bei Grünen funktioniert. Denn was wäre so schlimm daran? Will nicht jeder Politiker wiedergewählt werden?

Winfried Hermann muss in Baden-Württemberg auf der Landesliste gegen Fritz Kuhn, Rezzo Schlauch, Cem Özdemir und Oswald Metzger antreten. Alle populär und Realos. Mehr als vier Männer werden von dort kaum wieder in den Bundestag ziehen. Und Hermann hatte mit seinen Themen bislang wenig Fortune. Sein Lieblingsprojekt, der Nachhaltigkeitsrat, wurde mangels eigener Durchsetzungskraft und der Blockade von Umweltministers Jürgen Trittin zu einem SPD-dominierten Gremium.

Hermann erklärt, es gehe ihm darum, dass die Partei überhaupt noch einmal in den Bundestag kommen. Deshalb wolle er zeigen, dass es noch Grüne gebe, „die eine kritische Position haben“. MATTHIAS URBACH