: Ideenzusammenstoß
Mit den „Go-Luckys!“ erzählt Barbara Manning vom Folk und seinen Fortsetzungen ■ Von Gregor Kessler
Manche Leute sagen, Fans seien die schlechteren Musiker. Zumindest wenn sie Geschmack hätten. Zu übermächtig sei der Schatten der großen Vorbilder, als dass man aufrecht daraus hervortreten könnte. Zu groß der Respekt, um den Heroen gleichberechtigt zu begegnen. Barbara Manning ist mit Haut und Haaren Fan. Beinahe auf jeder ihrer zahlreichen Veröffentlichungen zollt sie einem anderen musikalischen Vorbild zwischen Faust und den Pretty Things Respekt. Doch nicht nur Coverversionen sind bei Manning an der Tagesordnung, gerne setzt sie auch gleich noch gemeinsame Aufnahmesessions mit den Helden ihrer Plattensammlung an. Nach der eingangs erwähnten Faustregel wäre sie also eine hundsmiserable Musikerin. Ist sie aber nicht.
Ihre Musik ist weit mehr als ein zweiter Aufguss. Sie hat eine eigene Stimme, die klar herauszuhören ist aus dem Gewirr ihrer Einflüsse. Und mit ihrem Solo-Debüt, 1990 beim San Francisco Label HayDay erschienen, half sie gar, eine ganze Szene loszutreten. Neo-Folk hieß diese und war das x-te Revival der akustischen Gitarre. Wie jeder Hype war auch Neo-Folk ein intolerantes, aus- und einschließendes Gefängnis. Grenzgänger hatten hier keine Chance auf Zulassung, und für Insassen war der Ausbruch schwer. Selbst zehn Jahre später hat Barbara Manning es noch immer nicht vollständig geschafft, den Ruf der sensiblen Folk-Chanteuse abzuschütteln. Dabei hat sie bereits lange vor ihrer Solokarriere in Bands wie 28th Day und World of Pooh gezeigt, dass auch überschwänglich energischer Gitarren-Pop ihr Ding sein kann.
Heute ist das noch deutlicher. Seit sie sich vor drei Jahren mit den schwäbischen Gebrüdern Steinbach zusammengetan hat, haben ihre Songs einen Biss und eine Energie gewonnen, die nur schwer zu Neo-Folk-Klischees von Lagerfeuern und Moll-Balladen passt. Dabei wirkt die Band doch zunächst so ungleich. Da gibt es, an Gitarre und Gesang, Barbara Manning, die seit Mitte der 80er Jahre alleine oder mit wechselnden Bands zwischen Neuseeland und Kanada tourte, und da gibt es die kaum auseinander zu haltenden Zwillinge Flavio und Fabrizio Steinbach, 23, an Bass und Schlagzeug, die bislang in Bands im Stuttgarter Umland auftraten. Gemeinsam werden beide Parteien zusammengeschweißt von einer nicht zu übersehenden Freude an den Songs, die auch alten Manning-Stücken wie „Every Pretty Girl“ einen infektiösen Enthusiasmus verleiht.
„Ich habe Flavio und Fabrizio 1992 auf meiner ersten Deutschland-Tour getroffen“, erzählt Manning über die Entstehung ihrer jüngsten Band. „Über die Jahre danach blieben wir über Briefe und Telefonanrufe in Kontakt, und unsere Bekanntschaft wurde zu einer Freundschaft. Als ich den beiden 1999 von meinen Plänen erzählte nach Deutschland zu kommen, um hier eine neue Band zu finden, war es selbstverständlich, dass wir zusammen ein Konzert spielten. Nicht so selbstverständlich war, dass diese Band genau die Musik spielte, die ich hören wollte. Die Band wurde schnell von einem Experiment zu einer Institution.“
Eine Institution, die erst neulich als Barbara Manning & the Go-Luckys! ihr zweites Album in Amerika veröffentlichte (You Should Know By Now) wo sie letzten Sommer erfolgreich mehrere Wochen tourte. Den Grund für diesen Erfolg sieht Manning in den eigenen Ideen, die die Go-Luckys! einbringen. Etwas, das bei ihrer letzten Band in Amerika, den S.F. Seals, nicht selbstverständlich war. „In all den Jahren, in denen ich versuchte, die S.F. Seals zusammenzuhalten, hatte ich nie das Gefühl, dass wir wirklich eine Band waren. Die Mitglieder schienen mit einer Rolle als Hintergrundmusiker zufrieden zu sein. Ich mag es gerne, wenn Ideen aus verschiedenen Richtungen kommen, zusammenstoßen und neue Ideen formen. Insofern sind die Go-Luckys! seit Jahren meine erste wirkliche Band. Die Zwillinge haben keine Angst, ihre Meinung zu sagen, und dabei zu helfen, meine Songs zu arrangieren.“
Früher sorgten stetig wechselnde Gäste für diesen Ideen-Input. So tauchen auf Mannings älteren Platten etwa John Convertino und Joey Burns auf, die seit einiger Zeit als Calexico die Wüste hörbar machen, oder Stuart Moxam (ex-Young Marble Giants), Produzenten-Hansdampf Jim O'Rourke oder weite Teile der von Barbara Manning so geschätzten neuseeländischen Musikszene um Bands wie The Clean oder die Tall Dwarfs.
Heute sind sich die Go-Luckys! selbst genug. Nach früheren Ausflügen ins holprige Land des Experiments ist Barbara Manning mit den Go-Luckys! zurück beim klassischen Songwriting. Zurück bei frei segelnden Gitarrensoli à la Neil Young, zurück bei wehmütigen Melodielinien, vor allem aber zurück bei Songs, die einem an diesen tristen Herbsttagen warm halten wie ein frisch aufgeschütteltes Federbett.
heute, 21 Uhr, Knust
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