VW-Streik endet mit Kompromiss

1.500 von 3.000 Kündigungen bei Volkswagen do Brasil zurückgenommen. Abfindungen und Lohnkürzungen

SÃO BERNARDO DE CAMPO taz ■ „Das Schlimmste ist abgewendet“, sagt Miguel Costa dos Reis. Vor knapp zwei Wochen war dem 36-Jährigen eines der Kündigungsschreiben zugestellt worden, mit denen die Firmenleitung von VW do Brasil 3.000 Arbeiter in São Bernardo do Campo überraschte. Nun darf er wieder hoffen.

Gespannt lauschten gestern rund 13.000 der insgesamt 16.000 Berschäftigten den Ausführungen von Luiz Marinho. Der Vorsitzende der Metallgewerkschaft aus der Industrieregion südöstlich von São Paulo war Ende vergangener Woche in Wolfsburg und hatte dort einen Kompromiss ausgehandelt: 1.500 Arbeiter werden wieder eingestellt. Ebenso viele erhalten bis Ende Januar 2002 bezahlten Sonderurlaub, allerdings sollen 700 von ihnen bis dahin durch eine Abfindung dazu bewegt werden, die Firma „freiwillig“ zu verlassen. Damit hält die Firmenleitung an ihrem Flexibilisierungkurs fest. Generell werden Arbeitszeit und Lohn um 15 Prozent gekürzt – was für die meisten auf eine Viertagewoche hinausläuft. Bei Neueinstellungen sinkt der Anfangslohn um 25 Prozent auf rund 600 Mark monatlich. Hinzu kommt die Auslagerung von Teilen der Produktion an Drittfirmen.

Über diesen Vorschlag stimmt die Vollversammlung morgen ab. Positiv an der Kompromisslösung ist für Luiz Marinho, dass VW nun darauf verzichtet, jährlich 1.000 Arbeitsplätze zu reduzieren. Auch werde sich das Lohngefüge weniger drastisch verschlechtern als befürchtet.

Mittelfristig müsse VW jedoch weitere Neuinvestitionen in São Bernardo do Campo vornehmen, fordert die Gewerkschaft. Die Produktion des neuen Polo, die im kommenden Jahr anlaufen soll, müsse durch zwei weitere Projekte ergänzt werden – den „Polo Sedan“ und eine deutsch-brasilianische Neuentwicklung namens „Tupi“. „Wir können unsere Führungsposition auf dem hiesigen Markt nur zurückgewinnen, wenn wir ähnlich wie die Konkurrenz versuchen, neue Marktnischen zu erschließen“, so Marinho. Auch wenn die dafür erforderlichen Investitionen von rund einer Milliarde Mark noch nicht beschlossen worden seien, habe er nach den Gesprächen in Wolfsburg neue Hoffnung geschöpft.

Ein Teil der Belegschaft lehnt das Abkommen ab. Für Betriebsratsmitglied Marcos Melão, den Wortführer der Dissidenten, ist die „klare Verschlechtung der Arbeitsbedingungen inakzeptabel“. Er plädiert für einen „langen Arbeitskampf“, räumt jedoch ein, dass dafür „Rückhalt aus der Gesellschaft“ erforderlich sei. Dagegen weiß der Marinho die Mehrheit der Arbeiter hinter sich. Sie folgten seinem Vorschlag, den Streik zu beenden.

GERHARD DILGER