village voiceNeue Geräusche von Monolake und Rhythm & Sound: Plätschern, pluckern, zirpen
Dub prägt die Musik im Sample- und Cut-&-Paste-Zeitalter wie kaum eine andere musikalische Form. Dub ist nicht bloß ein konkreter Sound, sondern eine Arbeitsweise, der man sich bedient. Das Prinzip des kaugummiartigen Zerdehnens bei gleichzeitiger Effektaufrüstung findet sich wieder in Produktionstechniken wie dem Remixprinzip und in aktuellen Genrediversifizierungen wie dem Minimaltechno. Viele Produzenten elektronischer Musik verstehen ihre Trackbauten weniger als weitere Neuformulierungen des klassischen Dub-Sounds aus den Siebzigern, sondern als im Sinne von Dub produzierte.
Monolake und Rhythm & Sound haben dementsprechend für ihre unterschiedlichen Entwürfe einer trotz ihrer Weitläufigkeit atmosphärisch dichten Musik jeweils Mischformen einer sich auf Dub beziehenden und sich von Dub emanzipierenden Klanggestaltung gewählt. Monolake, das ehemalige Duo Robert Henke und Gerhard Behles, das inzwischen zum Ein-Mann-Act Henke geschrumpft ist, verwendet Dub als funktionales Grundgerüst, auf dem sich das Eigentliche bequem aufbauen lässt. Der Dub mit seiner wattigen Bassdrum generiert dabei eine Tiefenschärfe, die sich bis in die letzten Winkel der als endlos imaginierten Räume erstreckt. All das Plätschern, Pluckern, Zirpen und Melodiebögen spannen mit den Mitteln von Minimaltechno und elektrifiziertem Ambient kann während den Kamerafahrten mit Weitwinkelobjektiv entdeckt werden. Wir sehen förmlich die Klänge.
Monolake hat nicht umsonst den Titel „Cinemascope“ für seine neue Platte gewählt. Henke möchte damit nicht das schwer strapazierte Bild von einer Musik für den noch zu drehenden Film bemühen, sondern findet: „Meine Musik scheint schon für sich ein Film zu sein.“ Man soll sich bestenfalls keine visuellen Referenzen dazu vorstellen müssen, sondern diese gleich mithörsehen. Allerdings bilden uns als produktiven Rezipienten im Sinne von Roland Barthes unsere Lautsprecher individuell anders bewegte Leinwände ab als sie Henke vor sich hatte. Während des Hörens mischen sich die Bilder neu: Stadtschluchten, Autobahnkreuzungen aus der Vogelperspektive, Kornfelder in Neubrandenburg.
Während Dub bei Monolake sozusagen der weich gepolsterte Kinosessel ist, dessen Sinn und Zweck es ist, ist bei Rhythm & Sound Dub das eigentliche Geschehen. Betont wird bei diesem eher Form als Inhalt. Um bei der Film-Analogie zu bleiben: Rhythm & Sound machen mit dem Material Dub das, was etwa Douglas Gordon mit dem Material Film macht. Im Entschleunigen entsteht Abstraktion und es wird gleichzeitig auf das Wesentliche hingewiesen. Bei Gordon findet die Annäherung an das Standbild statt, beim Dub an das, was zwischen den Bildern ist, schwarze Streifen, oder: nichts, Leerlauf, Pause.
Rhythm & Sound sind Mark Ernestus und Moritz von Oswald. Die beiden haben unter unterschiedlichen Projektnamen, doch besonders als R & S, über all die Jahre hinweg eine puristisch entschlackte Version von Dub kreiert, wie sie beispiellos ist. Sie waren es, die schon vor Jahren als Nukleus des geheimniskrämerischen Basic Channel-Labelverbunds eine schlüssige Amalgamisierung von Dub und Techno hinbekommen haben, die oft kopiert wurde, in ihrer Radikalreduzierung ins Transzendente jedoch unerreicht bleibt. Bei R & S spielt immer auch das Unerklärliche eine Rolle.
Wieso klingt bei ihnen Rauschen, dessen Eckpfeiler das Pumpen einer mit Perwoll gewaschenen Bassdrum bilden, so emphatisch nach Jenseitigkeit? Zuletzt haben R & S auf ihrer compilierten Sammlung von 12-Inches „Showcase“ mit dem verhalten toastenden Reggaesänger Tikiman von derartigen Fragen noch eher abgelenkt. Die hergestellten Hallräume konnten noch nicht in dem Maße selbstreferenziell sein wie jetzt, weil sie immer auch einer Stimme zum Ausdruck verhelfen mussten. Doch bei der erneuten, nun vorliegenden Zweitverwertung bereits erschienener 12-Inch-Vinyls auf CD, handelt es sich, bis auf eine Ausnahme mit dem Tikiman-ähnlich intonierenden Savage, um rein instrumentale Tracks.
Das Nichts wird jetzt auf sich selbst zurückgeworfen und jedes Echo verweist nur noch auf das nächste, und so geht es dahin, in Richtung Unendlichkeit.
ANDREAS HARTMANN
Monolake – Cinemascope – [Imbalance/EFA] Rhythm & Sound – Dito – [Rhythm & Sound/EFA]
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