Innere Unsicherheit bei der Fundamentalopposition

„Wir wollen es wenigstens versucht haben“: Öffentliche Anhörung der PDS-Fraktion zum Sicherheitspaket II bemüht sich um Verfeinerung der Kritik

BERLIN taz ■ Um Differenzierung in der Kritik wurde gebeten. „Big Brother ist der falsche Begriff“, sagte Wolfgang Kaleck vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein gestern auf einer Anhörung der PDS-Bundestagsfraktion zum Sicherheitspaket II. Kaleck konstatierte vielmehr „eine Auflösung des Rechtsstaats und die Tendenz zum Sicherheits- und Krisenbekämpfungsstaat“, mit dem der „politisch dissidente Teil der Bevölkerung“ sowie Ausländer kontrolliert werden sollen.

PDS-Fraktionschef Roland Claus hatte die Anhörung mit Worten eingeleitet, die deutlich machten, dass das Maßnahmenbündel, das Innenminister Otto Schily als Antwort auf die Anschläge vom 11. September geschnürt hat, zwar ohnehin nicht mehr gestoppt werden kann. Noch vor Weihnachten soll es Gesetz werden. Aber, so Claus, „wir wollen wenigstens versucht haben, uns zu Wort zu melden“.

Die Experten, die sich bereits mehrfach im Namen von Bürgerrechtsorganisationen zu Wort gemeldet haben, kritisierten mehrere Punkte: Unter anderem die Verschärfung der gesamten Gesetzgebung im Bereich Ausländerrecht und Asyl, die Überprüfungen von Personen, die in „sicherheitsrelevanten Bereichen“, etwa in Elektrizitäts- und Atomkraftwerken arbeiten, und die Kompetenzerweiterung der Geheimdienste. Mit ihrer Anhörung versuchte die PDS-Fraktion erstmalig, den Bürgerrechtsgruppen ein Forum auch im Parlament zu bieten. Damit hat sich die Partei – trotz offensiver Kritik auch an dem grünen Anteil am Paket – bislang schwer getan.

Grund dafür ist vor allem ein Konflikt zwischen der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, und der Mehrheit hinter der Vizefraktionschefin Petra Pau. Beide sitzen zusammen im Innenausschuss des Bundestags. Pau und ihre Mitarbeiterin Katina Schubert hätten als Reaktion auf das Sicherheitspaket II „Forderungen rausgeschossen, die nicht überlegt waren“, sagt Jelpke. Etwas eigenmächtig vertrete die Hamburgerin Jelpke, die in Nordrhein-Westfalen kandidiert, eine Minderheitenposition ohne Rückhalt in der Partei, sagt Pau.

Streitpunkt ist die Frage, wie die PDS mit der Kompetenzerweiterung für die Geheimdienste umgeht. Erstmalig hat die PDS in diesem Jahr im Bundestag nicht ihren üblichen Antrag auf Abschaffung des Verfassungsschutzes eingebracht. „Das ist der Aggression der Verhältnisse geschuldet“, sagt Jelpke. „Dabei waren die Argumente, die für eine Abschaffung sprechen, nie besser als angesichts der Unfähigkeit der Geheimdienste vor und nach dem 11. September.“

In ihrem Positionspapier „Für bessere öffentliche Sicherheit in der offenen Gesellschaft“ fordern Pau und Schubert dagegen, dass die Geheimdienste sich auf „ihre eigentlichen Aufgaben, die Vorfeldaufklärung konzentrieren“ sollten. „Unsinn“, sagt Jelpke dazu: „Die PDS will eben etwas anbieten, das realistisch klingt. Dabei wird der Vorschlag Paus genauso wenig Chancen haben wie die Abschaffung.“

Pau bestreitet, dass es sich bei dem Konflikt um eine Ost-West- oder um eine Fundi-Realo-Frage handele: „Es geht um den urlinken Streit, ob man Prinzipien hochhält oder ob man sich mit gesellschaftlichen Gegebenheiten beschäftigt“, erklärt sie.

ULRIKE WINKELMANN