Wenig Geld für große Versprechen

Hilfswerke werfen der Bundesregierung vor, die globale Armutsbekämpfung nicht ernsthaft in Angriff zu nehmen

BERLIN taz ■ „Große Lücken“ zwischen Sonntagsreden und Realität attestieren die Deutsche Welthungerhilfe und die Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes der Bundesregierung. In ihrem 9. Bericht zur „Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“ kritisieren sie, dass das Kabinett Anfang des Jahres ein großes Programm „zur weltweiten Halbierung extremer Armut“ verabschiedet habe, der Haushaltsentwurf 2002 dafür aber keine Mittel vorsehe. Offenbar setze Rot-Grün andere Prioritäten.

Im vergangenen Jahr hat Deutschland nur 0,27 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereit gestellt, während der EU-Durchschnitt bei 0,33 Prozent lag. Es sei abzusehen, dass sich der Sparkurs der Bundesregierung auch mittelfristig überproportional im Haushalt des Entwicklungsministeriums niederschlage, heißt es im Bericht. Die Entwicklungszusammenarbeit stehe nun vor dem Dilemma, immer größere Versprechungen mit immer weniger Geld erfüllen zu müssen.

Auch mit der Schwerpunktsetzung sind die Hilfswerke unzufrieden. So bemängelte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Volker Hausmann, dass die Hilfe für die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern in den letzten Jahren „um zwei Drittel zurückgegangen“ sei. Dabei fristeten 60 bis 80 Prozent der 1,2 Milliarden Menschen, die in absoluter Armut leben, „ihr Dasein als Landlose, Tagelöhner oder Kleinbauern auf dem Land“. Wenn die Bundesregierung ihr auf dem UN-Millenniumsgipfel 2000 angekündigtes Armutsziel für 2015 erreichen wolle, müsse sie die Förderung für die ländliche Entwicklung wieder aufstocken. Auf künftigen UN-Konferenzen müssten Zeitplan und Finanzierung klar und verbindlich dargestellt werden.

Zu den entwicklungspolitischen Folgen der Terroranschläge entwarfen die Hilfswerke verschiedene Szenarien. Möglich sei, dass der Armutsbekämpfung mehr Beachtung geschenkt würde, um damit einen Beitrag dazu zu leisten, den „sozialen und politischen Nährboden“ für terroristische Gewalt vor dem Hintergrund von Armut und Marginalisierung abzutragen. Äußerungen einiger Politiker verschiedener Parteien gingen „in diese Richtung“, hieß es im Bericht. Andererseits müsse man befürchten, dass ein Teil der bisher für die Entwicklungspolitik vorgesehenen Mittel zweckentfremdet wird – beispielsweise als belohnende Finanztransfers an asiatische Staaten der so genannten Anti-Terror-Allianz. BW