Giggeln und Keckern

Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn einige von uns Amateure blieben: Wie die Wahrheit journalistische Haltungsschäden heilt

Journalismus kann eine Menge verändern. Zumindest bei denen, die ihn machen. Der Bildschirm lädiert die Augen, das Telefon die Halswirbelsäule. Mit der Magenschleimhaut gehen irgendwann auch Geschmack, Gewissen und Geduld kaputt. Drogen und neue Büromöbel können helfen bei der Abpufferung physischer und mentaler Haltungsschäden. Oder eine Runde Mobbing, Gymnastik, Geld, ein Nachwuchsjournalistenpreis. Autogenes Training („das Sonnengeflecht wird strömend warm“) – auch gut. Aber echte Linderung verspricht nur das Kalauern von morgens bis abends. Kichern, besonders gern über die eigenen Witze; Keckern über Pointen, die nicht nur blöd, sondern blödblöd sind. Giggeln ist noch die schönste Gehirnwäsche. Insofern ist die taz-Wahrheit-Redaktion eine zwar meist verstaubte und zugemüllte, aber doch funktionierende Reha-Klinik.

Ich habe mich damals selbst eingeliefert, nachdem ein guter Freund dazu geraten hatte. Er fand, ich würde so bleich aussehen über den bunten Halstüchern. Zu viel Politik sei wohl nicht gut für mich. Ich hätte doch die taz-Abteilungen schon öfter gewechselt, da könne ich es auch mal mit der Wahrheit probieren. Ich hätte doch eine hübsche Klatschspalte gehabt im Lokalen und auch ganz amüsante Bildunterschriften verfasst auf der Medienseite.

Doch ich zweifelte. War ich als Scherzverwalter überhaupt geeignet? Hatte ich das Zeug zum Gag-Giganten? Waren es nicht ausgerechnet die industriell verflachten Sprachwitze im Nachrichtenmagazin Spiegel gewesen, über die ich in meiner Jugend immer so laut gelacht hatte? Der Brandstwietensound, ein Brettspiel namens „Reporter“ und jungsozialistische Indoktrination hatten mich gegen Ende der 70er-Jahre auf diesen Berufsweg gebracht. 1984 stand damals praktisch vor der Tür, die Personalausweise wurden maschinenlesbar. Und George Orwell war schließlich auch Journalist gewesen.

Wie also stand es wirklich um mein Humorpotenzial? Hatte mich als Journalistenschüler nicht ausgerechnet der korrekte und unwitzige taz-Frauenstreik so sehr fasziniert? Selbstkritik, Selbstbespiegelung und Selbstzerknirschung auf Seite 1! Toll, diese taz. Und dabei durfte man sich noch vom Verfassungsschutz beobachtet fühlen.

Da wollte ich unbedingt hin. Fundi-Realo-Debatten von morgens bis abends und ständig Streit um Artikel, die die Kollegen in der Ideologiefabrik Wattstraße weit mehr zu provozieren schienen als die Staatsgewalt.

Ich habe es dann gemacht. Und die Wahrheit tat ganz gut. Ein Haus der jungen Talente (Sonneborn, Stuckrad-Barre) und der alten, hochgebildeten Scherzkekse (Riepe). Nicht zu vergessen die bewährten Halluzinatoren (Kuhlbrodt, Höge). Alles in allem sehr spaßig. Denn hier konnte nach dem Motto gearbeitet werden: „Warum sachlich, wenn’s auch persönlich geht“ (Klaus Bittermann). Keine Totschlagvokabeln wie Professionalität oder Distanz. Schülerzeitung im besten Sinn. Wie singt Joe Jackson so schön: „Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn einige von uns Amateure blieben.“

Gekündigt habe ich aber doch irgendwann. Ich war ja gut erholt. Bereit für kranke Geschichten. Für Glossen im bürgerlichen Journalismus.

HANS-HERMANN KOTTE