Psychiatrisches Gutachten
: Des Täters Psyche

■ Von abgespaltenen Aggressionen und kompensierter Unsicherheit

Wegen fünffachen Mordes und einem Mordversuch ist der frühere Krankenpfleger Olaf Däter am Donnerstag verurteilt worden. Offen bleiben viele Fragen: Wie kann ein junger Mann völlig unauffällig leben, aber dann plötzlich zum Serienmörder werden? Und warum hat Däter ausschließlich alte Frauen überfallen und ermordet?

Die vom Gericht bestellte Gutachterin, die Psychiaterin Nahlah Saimeh, versucht im taz-Gespräch Däters Psyche zu erklären.

Kein Zugang mehr zur eigenen Wut

Was bei dem 32-jährigen Frauenmörder auffalle, sei, dass er unangenehme Gefühle wie zum Beispiel Wut und Aggression von seinem sonstigen Gefühlsspektrum abgespalten habe. Er habe diese negativen Gefühle so lange und so weit von sich „weggedrückt“, bis schließlich nur noch der liebenswerte, freundliche und hilfsbereite Krankenpfleger sichtbar geblieben sei, erläutert Saimeh. Seine Aggression und Wut seien dabei keineswegs verschwunden, sie seien ihm zuletzt allerdings kaum noch zugänglich gewesen.

Däters große Selbstunsicherheit

Die Gefühlsabspaltung war es aber vermutlich nicht allein. Die Psychiaterin hat bei Däter außerdem eine hohe Selbstunsicherheit festgestellt. Die habe er beispielsweise mit der Bestellung eines sehr teuren Autos kompensiert. Ob dafür potentielle Geldgeber ihr Leben lassen mussten, war Däter relativ egal. Das wertet die Gutachterin als massiven Übergriff. Die bei Däter festgestellte „Persönlichkeitsauffälligkeit“ sei aber trotzdem nicht als krankhaft zu bezeichnen. Da Däter sein Handeln immer noch bewusst steuern konnte – und weder ein Auto bestellen noch die fünf alten Frauen hätte töten müssen.

Die Frage nach einem so plötzlichen Gewaltausbruch ist aber damit noch nicht geklärt. Saimeh beurteilt die Ereignisse vom vergangenen Juni aber als „eine Serie von Fehlkalkulationen“: Däter habe hohe Schulden gehabt und nicht mehr gewusst, woher er das benötigte Geld hätte nehmen sollen. Seine Liaison mit einer Prostituierten machte alles schlimmer: Sie habe immer mehr Geld von ihm verlangt und ihn immer weiter unter Druck gesetzt. Däter fürchtete handfes-te Streitereien mit Zuhältern – und besorgte lieber Geld.

Warum gerade alte Frauen als Opfer?

Dafür überfiel er alte Frauen, von denen er wusste, dass sie ihn in ihre Wohnung lassen würden. Sie waren seine ehemaligen Patientinnen, und deren Vertrauen nutzte er aus. Ohnehin würden alte Frauen oft jungen Männern gegenüber sehr zutraulich sein als wären sie ihre Schwiegersöhne, erklärt Saimeh.

Ursprünglich wollte der Krankenpfleger die die über 80-Jährigen überleben lassen – sagt er zumindest: Den Überfallenen hätte er dann Verwirrtheit unterstellen wollen, wenn sie gegen ihn ausgesagt hätten – eine Fehleinschätzung.

Aber warum dann diese Serienmorde? Saimeh erklärt, dass Däter nach dem ersten Mord nicht mehr wusste, was er tun sollte. Eine logische Konsequenz hätte sein können, den fehlgeschlagenen Plan nicht mehr zu wiederholen. Bei Däter dagegen trat wohl eine Gewöhnung ein.

Schließlich kann auch Saimeh das Bedürfnis nach dem endgültigen Verstehen nicht befriedigen. „Ein Stück weit bleibt es unerklärlich“, sagt sie. aro