vorlauf kunst
: Harald Fricke schaut sich inden Galerien von Berlin um

Der Streit, ob analog oder digital besser ist, lässt sich nicht lösen. Martin Dörbaum zumindest sieht seine digitalen Abzüge in der Tradition der Malerei, wenn er Bildräume am Rechner konstruiert. Entsprechend raffiniert sind die Arbeiten, die er in der Galerie Kapinos, Gipsstraße 3, zeigt: Interieurs einer luxuriösen Villa gleiten unmerklich in abstrakten Außenraum über, panoramische Blicke werden im Off einer Alpenstraße aufgespürt; rosa senkt sich die Sonne hinter edel blitzenden Waschbeckenarmaturen an Bord eines Luxusliners. Was auf Fotos schnell kitschig wirkt, entpuppt sich bei Dörbaum als sorgfältige Dekonstruktion von Raumwahrnehmung. Denn das Errechnete ist eine unentwegte Aufeinanderfolge von Oberflächeninformationen. Nebenbei gibt es noch eine Erzählung über einen Koffer, der von Ort zu Ort die Bedeutung wechselt – mal als Handwerkszeug und mal als Waffe, je nach den Vorstellungen des Betrachters.

Der von Jesko Fezer und Axel John Wieder gestaltete Eingangsbereich der Galerie Kienzle & Gmeiner, Bleibtreustraße 54, passt gut zur Jahreszeit. Herbstblätter sind durch die offene Tür geweht und knistern unter den Füßen. Plötzlich ist der stille Ort tatsächlich eine Schleuse zwischen Innen und Außen, so wie sich Raum überhaupt mit der Witterung verschiebt: Auch der Schnee unterscheidet nicht zwischen öffentlich und privat. Mit solchen Vorgaben setzen sich die beiden Urbanismuskritiker in Welt 2 auseinander: Wo lösen sich Polarisierungen auf? Wo wird Architektur ein offenes Feld – und wo zur Kontrollzone? Dafür geben sie mit überarbeiteten Fotokopien und Fotocollagen sehr plausible Nutzungsbeispiele. Das hilft auch beim Weg durch die Stadt, wenn man die Galerie wieder verlässt und plötzlich mitten im Vorweihnachtsgeschäft steht.

Jetzt was völlig anderes: Andy Warhol in der Neuen Nationalgalerie.