Grüne schlecht gestimmt

Nach dem Bundesparteitag erwarten die Berliner Grünen weitere Austritte. Fraktionssprecher hofft auf Ersatz durch Neuengagierte. Basisgruppe will Bundestagswahlkampf nicht unterstützen

von UWE RADA

Die Stimmung ist schlecht bei den Berliner Grünen. „Die Wirkung des Rostocker Parteitags könnte fataler gar nicht sein“, meint der ehemalige Abgeordnete Hartwig Berger. „Jede Menge Grüne werden in die innere Emigration gehen.“ Berger, der beim grünen Bundesparteitag am Wochenende als Delegierter dabei war, hat trotz der Koppelung der Kriegs- und Koalitionsfrage mit Nein gestimmt.

Von den etwa 40 Berliner Delegierten, hat Berger beobachtet, habe die Mehrheit mit Nein gestimmt. Der Kreisverband Kreuzberg/Friedrichshain geschlossen, der von Charlottenburg/Wilmersdorf, dem Berger angehört, mit 5 zu 3.

Damit bestätigten die Berliner Delegierten in Rostock auch den Beschluss des Landesverbandes, der sich bereits vor geraumer Zeit gegen eine Bundeswehrbeteiligung am Kampf gegen den Terrorismus ausgesprochen hatte.

Doch auch das Abstimmungsverhalten der traditionell eher dem linken Flügel zugehörigen Berliner Grünen wird den Erosionsprozess der Partei nicht aufhalten. Landeschef Till Heyer-Stuffer etwa rechnet nun mit 10 bis 15 weiteren Parteiaustritten. Konkrete Zahlen ließen sich jedoch erst Mitte der Woche nennen. Bereits nach dem Kriegsvotum der Bundestagsfraktion waren 80 von 3.000 Mitgliedern aus der Partei ausgetreten.

Unmut gibt es aber nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg. „Die Rostocker Entscheidung nimmt der Berliner und ostdeutschen Basis der Partei den Boden unter den Füßen“, schimpft Helmut Horst. Das Gründungsmitglied der Grünen, erst vor kurzem von Berlin nach Brandenburg gewechselt, hat mit sofortiger Wirkung die Partei verlassen. Mit Sicherheit werde es auch in Brandenburg weitere Austritte geben. Gerade im Kreisverband Oberhavel sei die Austrittsbereitschaft sehr groß. Horsts Fazit: „Wir müssen die Parteiführung abstrafen.“

Dieses Vorhaben könnte demnächst sogar schon Gestalt annehmen. Der Verein Basisgrün, in dem unter anderem ehemalige Grünenmitglieder aktiv sind, hat eine Beschlussvorlage für die kommenden Kreismitgliederversammlungen formuliert. Darin soll die Zusammenarbeit der Kreisverbände mit der Bundespartei aufgekündigt werden. Konkret heißt das, dass kein Geld mehr an den Bundesverband abgeführt und kein Bundestagswahlkampf mehr gemacht werden soll.

Unterdessen hofft der grüne Fraktionssprecher Matthias Tang, dass es bei einem Erosionsprozess der Partei nicht bleibt. „Wir müssen sehen, dass daraus ein Austauschprozess hervorgeht, dass nicht nur Leute gehen oder nicht mehr aktiv werden, sondern sich auch neue Leute in der Partei engagieren.“