Blumfeld, die Wir-Maschine, feierten im Modernes ein umjubeltes Tour-Finale

Gerade rechtzeitig, um noch ein paar Stücke der belgischen Vorgruppe Ming zu hören, treffen Blohm und Voss am Montagabend im Modernes ein.

Blohm: Also nix Kafka?

Voss: Wie kommen sie darauf?

Blohm: Na, sie wissen schon, „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“...

Voss: Nein, ich weiß nicht „schon“. Da kommen sie! Der Bassist könnte sich mal die Haare waschen.

Blohm: Ich finde sie nicht schlecht.

Voss: Ich hatte sie mir mehr Schlager-mäßig vorgestellt.

Blohm: Ich bin erschüttert, dass sie ausgerechnet diese Vorstellung in ein Konzert treibt.

Voss: Ich habe eben auch eine sentimentale Seite...

Blohm: Jedenfalls scheinen Blumfeld etwas zu sagen zu haben. „Deutschland verrecke!“ Der Mann ist mir sympathisch.

Voss: Sprüche!

Blohm: Zweifeln sie an seiner Lauterkeit?

Voss: Er weiß doch das Publikum ohnehin auf seiner Seite.

Blohm: Soll er sich etwa für den CDU-Parteitag engagieren lassen?

Voss: Das nicht. Aber ich finde die Pose abgedroschen.

Blohm: Er nutzt eben die Gelegenheit, etwas mitzuteilen, das ihm offenbar am Herzen liegt.

Voss: Sie alter Schönredner. Die Masche, mehr sein zu wollen als nur eine Rockband, müssten doch gerade sie durchschaut haben.

Blohm: Und wenn es eine Masche wäre, könnte ich doch den Inhalt dieser Masche sympathisch finden? Das eine ist die Intention, das andere ist das Mittel. Es mag zwar ungeeignet sein, aber das zu beurteilen müsste man erst den Zweck kennen.

Voss: Ich komme nicht mehr mit: Wessen Zweck meinen sie?

Blohm: Den, den sie gerade dieser druckvoll aufspielenden Band unterstellt haben: dass das Politische an ihnen nur Koketterie sei, ein Mittel, sich interessant zu machen. Über das, was diese Leute wollen, kann ich nur spekulieren. Über das, was sie singen, lässt sich immerhin reden. Und ein Gedanke kann auch dann zutreffend sein, wenn die Person, die ihn ausspricht, ihn nur berechnend äußert.

Voss: Die Person würde lügen.

Blohm: Vielleicht ist sie auch nur naiv. Ich bin wahrlich kein Freund der Suche nach Sinn und halte es durchaus für problematisch, politischen Aktionismus einzuklagen. Aber ich bin schließlich nicht hier, um mich zu bilden oder zu debattieren.

Voss: Dann kann es ihnen auch egal sein, wenn er gegen Otto Schily wettert.

Blohm: Wahrscheinlich ist es nur meine sentimentale Freude darüber, dass zu einer Zeit, wo alle Welt den Abwurf von Bomben für eine feine Sache hält, sich jemand hinstellt und aus „immer noch gegebenem Anlass“ der antimilitaristischen, antifaschistischen, antirassistischen und sonstigen Linken ein Lied widmet.

Voss: Es ist eben nicht mehr als eine Übung der Selbstvergewisserung, was hervorragend zu dem „Wir“ passt, dass Distelmeier immer wieder beschwört. Die Musik finde ich ja super, aber sich hinzustellen und mit Hilfe der Beschimpfung der Angepassten das Bedürfnis nach Harmonie unter lauter Gutmenschen zu bedienen, ist dasgleiche wie bei Herbert Grönemeyer, wenn er sich aufregt, dass die Leute sonntags ihre Autos waschen.

Blohm: D'accord. Aber dafür können Blumfeld nichts. Dass sie sich möglicherweise in dieser Harmonie ebenso gefallen wie ihr geradezu euphorisches Publikum, möchte ich dabei gar nicht bestreiten. Nur ist mit einfach die Haltung des Distelmeier sympathischer als die eines Grönemeyers, der zum Beispiel. vor kurzem ausgerechnet im Dienste der nationalen kulturellen Identität die Platten von „Neu“ wieder veröffentlicht hat.

Voss: Da will ich nicht widersprechen

Blohm: Nun gut, sie wollen in ihrer Fürsorge verhindern, dass ich mich Illusionen hingebe, und ich danke es ihnen. Aber sie sind eben nicht der Einzige mit einer sentimentalen Seite. Jetzt kommt er schon zum dritten Mal zurück. „Ist das alles was das Leben fragt / Kommst du mit in den Alltag?“

Voss: Warum plötzlich so vertraulich?

Blohm: Oh, ich habe nur mitgesungen. Ich will ja gar nicht mit in den Alltag. Möchten sie auch noch ein Bier?

Voss: Wenn's hilft...

Blohm: Was könnte besser helfen? Jetzt singt er auch noch einen Song von Al Green. Herrlich! Möchten sie diesen reizenden Menschen nicht auch einen Blumenstrauß auf die Bühne werfen?