Nepals Armee geht gegen Maoisten vor

Nach Angriffen maoistischer Rebellen mit hunderten von Toten bricht in Nepal der Bürgerkrieg offen aus. Auf Ersuchen der Regierung verhängt der König den Ausnahmezustand und setzt die Streitkräfte in Marsch

DELHI taz ■ Die Ausrufung des Ausnahmezustands in Nepal hat den latenten Bürgerkrieg zum Ausbruch gebracht. Die Erklärung aus dem Königspalast am Montag umfasst nicht nur die Einschränkung von Grundrechten der Bewegungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, sie löste auch die Mobilisierung der Armee aus.

Es war eine Reaktion auf die Attentate vom letzten Wochenende, die über 280 Menschen das Leben gekostet hatten. Die weitaus höchste Zahl von Gefallenen gab es in Salleri im ostnepalischen Bezirk Solukhumbu rund fünfzig Kilometer südlich der Expeditionsdörfer im Everest-Gebiet. Bei einem Angriff von rund tausend Maoisten auf die Bezirksverwaltung des Ortes wurden laut Angaben des Innenministers rund 200 Rebellen und 21 Beamte getötet. Am Freitag und Samstag hatten Rebellen in mehreren westnepalischen Orten über 40 Personen getötet.

Die hohe Zahl von Opfern unter den Maoisten, die seit 1996 für eine revolutionäre „Bauernrepublik“ kämpfen, zeigt, dass der Staat bereits vor dem Ausnahmezustand begonnen hat, gegen die Rebellen den Tötungsbefehl auszugeben. Die jüngste Maßnahme erhält zumindest in der kleinen Mittelschichtelite breite Unterstützung. Die Angriffe der Maoisten beschränken sich nicht auf den Staat. Sie haben ein rücksichtsloses Erpressungsregime gegen Schulen, ausländische Institutionen und Tourismuskomplexe aufgezogen, das vor barbarischen Praktiken – etwa dem Abziehen der Haut – nicht zurückschreckt. Die Empfehlung der Regierung an den König, den Notstand zu erklären, sprach von der Notwendigkeit, die Maobadis zu „eliminieren“. Die Eskalation folgt nur eine Woche nachdem Premierminister Sher Bahadur Deuba die vierte Runde von Friedensgesprächen mit den Rebellen angekündigt hatte. Sie waren kurz darauf vom Maoistenführer Pushpa Kamal Dahal aufgekündigt worden und damit auch der viermonatige Waffenstillstand.

Die seit fünf Jahren brodelnde Rebellion hat auf rund die Hälfte der 75 Bezirke des Landes übergegriffen. Sie ist die Folge von Misswirtschaft und Armut und hat bisher über 2.000 Opfer gefordert. Sie hat die wichtigste Devisenquelle des Landes, den Tourismus, zum Erlahmen gebracht und zur Einschränkung von ausländischen Entwicklungsprojekten geführt. Dennoch hatte die Regierung gezögert, die Armee zu mobilisieren – aus Angst, dass dem König wieder ein wichtiges politisches Instrument in die Hände gegeben würde.

Es herrscht aber auch Unsicherheit darüber, ob die Armee diesen Loyalitätstest bestehen wird. Zwar ist die Offizierselite dem Königshaus blind ergeben; doch das Gros der Truppen stammt aus der armen ländlichen Bevölkerung. Es ist dieselbe soziale Schicht, aus der auch die (städtischen) Rebellenführer ihre Kämpfer rekrutieren.

Auch Indien beginnt sich nun stärker für die wachsende Unruhe in seinem Nachbarland zu interessieren. Der nepalische Armeechef machte am Montag in Delhi Station und besprach die Lage mit dem indischen Generalstabschef. Die maostische Rebellion hat neben einer sozialrevolutionären eine antiindische Spitze. Vor allem gibt es Anzeichen, dass die Marxisten-Leninisten Nepals ihre Kooperation mit dem maoistischen Untergrund in den angrenzenden indischen Bundesstaaten und in Bangladesch verstärken. Indien hat dem Nachbarn Unterstützung in Form von Ausbildung, Informationsaustausch und Waffen zugesagt. Noch wichtiger ist die Verstärkung der gemeinsamen Überwachung der Grenze, da beide Länder praktisch keine Grenzkontrollen kennen.

BERNHARD IMHASLY