Sprengsatz für die Medienbranche

Bertelsmann, Kirch und die öffentlichen Sender fürchten, dass ein neues Medien-Oligopol zu viel Macht bekommt. Der US-Unternehmer Malone hat 60 Prozent des deutschen Kabelnetzes gekauft und könnte bald auch eigene Programme einspeisen

von STEFFEN GRIMBERG

Die dritte Kraft im deutschen Fernsehmarkt ist da – und keiner will sie haben: Seit dieser Woche steht die Einheitsfront der TV-Familien von Kirch, Bertelsmann sowie ARD und ZDF gegen den künftig mächtigsten Herrn des deutschen Kabelfernsehnetzes, John Malone.

Im September hatte sein Unternehmen Liberty Media die Übernahme von sechs Regionalgesellschaften und damit rund 60 Prozent der 18 Millionen deutschen Kabelhaushalte vom bisherigen Kabel-TV-Monopolisten Telekom klargemacht. Außerdem will das Unternehmen offenbar bei Kirchs defizitärem Bezahlfernsehen Premiere World einsteigen: Die Übernahme eines bisher von Kirch-Partner Rupert Murdoch gehaltenen Anteilspakets ist zwar bisher weder von Kirch noch von Murdoch bestätigt, wurde von Liberty aber bereits beim Bundeskartellamt angemeldet.

Die Behörde prüft das Liberty-Engagement im deutschen Markt bereits seit September, doch Presseberichte, nach denen die Sender in Kartellamtschef Ulf Böge einen wertvollen Mitstreiter haben, sind wohl verfrüht. Zwar sei durch den geplanten Einstieg bei Premiere World die Bewertung „nicht leichter geworden“, bestätigte gestern die Behörde – doch der Deal sei nur ein „ergänzender Aspekt“. Für die abschließende Prüfung, die die deutschen Sender durch eigene Bewertungen der neuen Lage ergänzen wollen, bleibt noch bis zum 7. Januar 2002 Zeit.

Die Sender fürchten vor allem, dass Liberty nicht – wie bisher die Telekom – nur als Netzbetreiber agiert, der gegen Entgeld TV-Signale an die zahlende Kundschaft weiterleitet, sondern selbst als Programmveranstalter auftritt. Da Liberty zahlreiche Beteiligungen an TV-Kanälen hält, stünde entsprechende Programmware in ausreichender Menge zur Verfügung. Außerdem, so die zweite Befürchtung, werde Liberty versuchen, wie in den USA eigenverantworlich bestimmte Programmangebote zu bündeln und zu unterschiedlichen Preisen zu vermarkten – und so das Kabelfernsehen zu einem Pay-TV-System umzufunktionieren. Bestimmte Kanäle wären dann nur gegen Aufpreis zu empfangen.

Die Auswirkungen auf den nach den USA zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt wären nach Sendersicht gravierend: Durch ihr derzeitiges Auftreten würde Liberty die deutsche TV-Landschaft „sprengen“, sagte ARD-Chef Fritz Pleitgen am Wochenden in einem Interview mit der Süddeutschen.

Die Strategie von Liberty fördert derzeit tatsächlich eher den Ruf von John Malone als Branchenekel: Der geplante Premiere-Deal wurde noch am Tag der prophylaktischen Kartellamts-Anmeldung von Malone per FAZ-Interview wieder abmoderiert – bis heute ist unklar, ob Liberty hier nur blufft oder tatsächlich kaufen will. Den gemeinsamen digitalen TV-Standard MHP, auf den sich die deutsche Medienindustrie erst nach langem Ringen mühsam geeinigt hatte, erklärte das Unternehmen kurzerhand für zu teuer. Liberty will nun eigene, günstigere Decoder verwenden. Und die deutschen Sender befürchten, dass das Unternehmen so die technischen Voraussetzungen schaffen will, die die Einspeisung von Liberty-Programmen und -Inhalten bevorzugen. Das Unternehmen dürfe aber den Zuschauern und Sendern keine Technik aufzwingen, die „uns vorschreibt, welches Programm wie genutzt werden kann“, sagte ZDF-Intendant Dieter Stolte der Süddeutschen. 5,5 Milliarden Euro soll Liberty dafür zahlen, die die Telekom fest für den Abbau ihres Schuldenbergs eingeplant hat. Außerdem will das Unternehmen künftig jährlich mindestens 500 Millionen Euro in den Ausbau des Netzes stecken, von 10.000 neuen Arbeitsplätzen bundesweit ist die Rede.