Vertreibung mit deutscher Finanzhilfe

Die Überflutung der indischen Stadt Tehri beginnt. 10.000 Menschen weigern sich zu gehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützt den Staudammbau mit einer Millionenbürgschaft für den Siemens-Konzern

BERLIN taz ■ Wenn bis Ende dieser Woche die Überflutung der indischen Stadt Tehri beginnt, werden bis zu 10.000 Menschen von ihrem Land und aus ihren Wohnungen vertrieben. Die Bundesregierung unterstützt den Bau des Tehri-Staudammes mit einer Hermes-Export-Bürgschaft zugunsten des Siemens-Konzerns. Indische Bürgerrechtler fordern Bundeskanzler Gerhard Schröder deshalb jetzt in einem dringlichen Brief auf, die Überflutung zu verhindern.

„Wir bitten Sie, persönlich sicherzustellen, dass die Bewohner von Tehri in einer menschenwürdigen Art umgesiedelt und entschädigt werden, bevor die Flutung beginnt“, heißt es in dem Schreiben. Bis Redaktionsschluss war vom Bundeskanzleramt keine Stellungnahme zu erhalten. Mit einer Dammhöhe von 260 Metern würde die Talsperre 350 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Neu-Delhi eines der größten Bauwerke ihrer Art weltweit. Bis zu 100.000 Menschen verlieren ihre bisherige Existenz.

Wie der deutsche Entwicklungsverband Urgewald verbreitet, haben die indischen Behörden die Bewohner von Tehri per Zeitungsinseraten aufgefordert, Tehri zu verlassen. Durch die Schließung der Tunnel, die das Wasser bislang in das Flusstal ableiten, „werden die unteren Teile der Stadt bis zur 640-Meter-Marke überflutet“, sagt die offizielle Bekanntmachung.

Nach Informationen von Urgewald wissen Tausende Menschen nun nicht, wohin. Die Regierung habe ihnen weder neues Land noch neue Wohnungen zugewiesen. Selbst nach Angaben der indischen Provinzregierung haben bisher 53 Prozent der Grundbesitzer keine neuen Felder.

In seiner Entscheidung für die Hermesbürgschaft ging der Bundeskanzler offiziell davon aus, dass die Umsiedlung der Bevölkerung weitgehend abgeschlossen sei. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul (SPD) halten die Exportförderung für falsch.

Siemens profitiert vom Bau des Dammes, weil das Unternehmen den Auftrag für eine elektrische Schaltanlage erhalten hat. Die Bundesregierung sichert das Geschäft mit einer Bürgschaft von 70 Millionen Mark ab.

HANNES KOCH