„So zerstört man Existenzen“

■ Wie die Sozialhilfeforderung der Behörde eine libanesische Familie zurück in die Sozialhilfe treibt / Kind und Vater haben nach einer ergebnislosen Hausdurchsuchung blaue Flecken

Bis vor zwei Jahren war das Leben der Familie A. eine Erfolgsstory. Vergleichsweise. Das 1988 aus dem Libanon über die Türkei nach Deutschland geflüchtete Ehepaar hat es geschafft, sich in Bremen eine Existenz aufzubauen und von der eigenen Arbeit zu leben. Doch seit eine Sonderkommission vor rund zwei Jahren begonnen hat, die Herkunft von Flüchtlingen aus dem Libanon verschärft unter die Lupe zu nehmen, ist für die A.'s nichts mehr wie früher.

„Hier werden Existenzen zerstört“, fasst ein Anwalt der Familie, Ümit Irmak, die Entwicklung der vergangenen Monate zusammen. Sie gipfelte in einem Polizeieinsatz vergangene Woche im Privathaus der mittlerweile achtköpfigen Familie. Noch eine Woche später leuchtete das Veilchen im Gesicht des Vaters lila. Ebenso der Bluterguss am Arm seines kleinen Sohnes. Ein Meter dreißig groß. Ihm und den sechs Geschwistern bescheinigt die langjährige Kinderärztin der Familie „psychische Störungen und Angstzustände, da sie die Gewalttätigkeit gegen ihren Vater ansehen mussten“.

„Der Mann leistete Widerstand gegen Beamte“, heißt es aus der Polizeipressestelle. Auch ein Polizeibeamter wurde verletzt. Einer von rund zwölfen, die im Zuge von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche – just zur Abendessenszeit im Fastenmonat – bei der Familie in Habenhausen auftraten, um eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Ohne richterlichen Beschluss, unter der Maßgabe, es sei „Gefahr im Verzuge“. Tatsächlich ging es schließlich gefährlich ruppig zu. Der Verdacht der Geldwäsche „hat sich nachhaltig nicht bestätigt“, räumt ein Polizeisprecher ein. Zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs will er sich nicht äußern.

„Ungeheuerlich und völlig unverhältnismäßig“ nennen es Anwälte der Familie, die der Sohn vom Handy im Nachbarzimmer aus herbeirief. Heimlich. „Wir durften nicht aus dem Haus gehen und als das Telefon geklingelt hat, durften wir auch nicht antworten“, berichten die Kinder. Und dass sie jetzt Angst haben, wenn sie ein Polizeiauto sehen – nachdem mehrere Beamte den Vater draußen im Garten auf den Boden warfen und sein Gesicht in den Dreck drückten. Auch die Nachbarn, die das Geschehen beobachteten, sind entsetzt.

„Man will mich fertig machen“, bilanziert der Vater. Begonnen habe es mit einer Rückzahlungsforderung des Amtes für Soziale Dienste über 178.000 Mark für Sozialhilfe, die die Familie in den ersten neun Jahren nach der Ankunft in Bremen bezogen hatte. Eine Summe, die die Familie, die es heute zum Eigenheim geschafft hat, nicht einfach so übrig hat. Und bei der wohl die Gerichte entscheiden werden, ob sie überhaupt zu zahlen ist. Denn den Vorwurf des „Sozialhilfebetrugs“ bestreitet Rechtsanwalt Hans Meyer-Mews.

Die Familie sei schließlich nicht geflüchtet, um in Bremen Sozialhilfe zu beziehen, sagt Meyer-Mews. Nur Vorsatz sei strafbar. Doch egal wie lange der Rechtsstreit dauert, die Familie sitzt schon heute in der Patsche. Die Sozialhilfe-Rückforderung und einen Pfändungsbeschluss gegen die des Deutschen nur mangelhaft mächtigen Eltern hätte eine Anwältin per „einstweiliger Verfügung“ zwar verhindern können. Das wurde aber versäumt. Nun droht der Juristin eine Schadenersatzklage. Denn die Folgen des Versäumnisses seien gravierend, so die jetzigen Anwälte. Alle Konten der Eltern A. sind gesperrt. Als Autohändler, die sie bislang waren, können sie so kein Geld verdienen.

Erstmals schlugen die Behörden – wegen der Sozialhilfe und per gültigem Pfändungsbeschluss – im September zu. Sie pfändeten eine Steuerrückzahlung des Finanzamtes. Der Familienvater geriet in höchste Bedrängnis gegenüber seinen saudiarabischen Kunden – denn es sei deren Geld gewesen. Seither steht die Restforderung des Sozialamtes auch im Grundbuch. „In der Folge kann die Familie mit ihrem Haus nicht mehr disponieren“, so ein Anwalt. Besonders pikant ist das vor dem Hintergrund der offenbar beabsichtigten Ausweisung der Familie durch die Ausländerbehörde. Ihr droht nun möglicherweise, ohne jeden Pfennig abgeschoben zu werden.

Eva Rhode