Aufbruchstimmung hinterm Schleier?

Der WDR widmet heute ab 23.00 Uhr sein Spätabendprogramm ganz der Rolle der Frauen in der islamischen Welt

Jemen. Städte wie aus 1.001 Nacht: Türme und Häuser wirken wie aus Zuckerguss, darüber wölbt sich der weite Himmel. Doch in den Straßen, wohin die Kamera sich auch dreht und wendet: fast nur Männer. Annette von Wangenheim hat mit „Explosion der Stille – Die Welt der Frauen im Jemen“ (23.00 Uhr) einen Blick hinter die Kulissen riskiert. Hinter den Schleiern will sie Aufbruchstimmung entdeckt haben.

Sie befragt die Ärztin Saba al-Salami, die zu Protokoll gibt: „Die westliche Frau ist nicht unser Vorbild. Wir wollen die Familie behalten, nicht zerstören. Diese unendliche Freiheit wollen wir nicht – und brauchen wir nicht“. Die Chefredakteurin der unabhängigen Zeitschrift Die Frau, Sayida Yahya al-Haylama, berichtet stolz: Selbst der Präsident Jemens sehe ihr Blatt als „wichtige Stimme in der Medienlandschaft“. Provozieren wolle man nicht, „lieber vorsichtig sein“. Da ist die Südjemenitin, die jubelt, weil sie sich ihren Mann selbst aussuchen durfte. Und jene Bäuerin, die erstaunlich schnell Brot backen kann.

Doch so spannend diese bunten Bilder sind, so wenig kritisch ist der Film. Seine Protagonistinnen wirken wie ein Bibelkreis, der uns von der feministischen Sprengkraft des Katholizismus überzeugen will. Sicher, da ist die Rede von 19 Politikerinnen, die im letzten Augenblick vor den Kommunalwahlen ihre Kandidatur zurückzogen, aus Angst vor religiösen Fanatikern. Doch zu Wort kommen sie nicht.

Ist der Jubelschrei über die neue Demokratie nur ein Versuch privilegierter Frauen, ihre gesellschaftliche Stellung durch Opportunismus abzusichern? Will die Autorin eine erzpatriarchalische Religion schönreden – als Ausgleich dafür, dass seit dem 11. September hinter jedem gläubigen Muslim gleich ein Schläfer vermutet wird?

Weit weniger optimistisch sind Helga Anschütz und Paul Harb in ihrem Dokumentarfilm „Frei durch den Koran – Marokkos Frauen kämpfen für ein besseres Leben“ (23.45 Uhr). Hier kommen Rebellinnen zu Wort, die Tacheles reden und die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Mann ablehnen. Frauen, die verzweifelt versuchen, den Koran anders zu interpretieren. Denn das Problem liege nicht in den Texten, sondern darin, wie die Männer sie auslegen, argumentiert der Film.

Mit welchen Mitteln Islamisten versuchen, ihre männliche Vorherrschaft zu behaupten, zeigt das Beispiel des Chefredakteurs Abdul-Ilah Benkiran. In seiner Zeitung Ar-Rayah hat er einen Mordaufruf gegen Frauenrechtlerinnen abgedruckt, weil sie „vom Glauben abgefallen“ seien. Selbstgefällig feiert er es vor der Kamera als Triumph, den Frauen „einen guten Dienst“ erwiesen und ihnen die „Grenzen des Islam“ aufgezeigt zu haben.

Um 0.15 Uhr gibt es dann „Das andere Gesicht des Islam“ zu sehen. Thomas Giefer und Ahmed Taheri haben eine spannende Entdeckungsreise nach Pakistan, Ägypten und in die Türkei unternommen. In ihrem Film dreht sich alles um den „Sufismus“. Vom Marihuana-Rausch bis zu sinnlich-rituellen Tänzen ist alles drin. Türkische Bauern trinken Anisschnaps auf Allah. Und Frauen dürfen auch mitmischen.

GITTA DÜPERTHAL