NUR WENN DIE GRÜNEN SICH SELBST TRAUEN, TUN ES AUCH DIE WÄHLER
: Einfachspitze

Egal, was die Grünen zurzeit machen: Es ist in den Augen der Öffentlichkeit verkehrt. Stimmen sie einem Kompromiss zu, sind sie „Umfaller“. Beharren sie auf alten Zielen, gelten sie als „Träumer“. Das hat viel mit dem ewigen Flügelstreit und dem Misstrauen gegen die eigene Partei zu tun.

Der Garant für diesen Streit schlechthin ist die Doppelspitze. Im Hamburger Landesverband steht nun ein Antrag auf der Tagesordnung, der sowohl die Trennung von Amt und Mandat aufheben will als auch die Doppelspitze begraben. Seine Chancen stehen gut. Auch anderswo werden sich die Grünen wohl bald von den Resten der Misstrauensregeln gegen ihr Führungspersonal trennen. Imperatives Mandat und Rotationsprinzip sind schon gefallen. Und selbst Parteichef Fritz Kuhn will als Parteivorstand für den Bundestag kandidieren.

Verraten die Grünen ihre hehren Ideale? Wohl kaum. Es handelte sich vielmehr um hehre Vorurteile. Diese Prinzipien wurden eingeführt, weil die antiparlamentarische Bewegung – aus der die Grünen hervorgingen – ein tiefes Misstrauen gegen „die da oben“ hatte. Doch die Prinzipien brachten bloß überforderte Leute auf bedeutende Posten, weil die Personaldecke so dünn war. Und sie zersplitterten die Partei, deren Parteitage entsprechend chaotisch waren. Besonders verheerend aber wirkte die Doppelspitze. Einst ersonnen, um die Quote zwischen Mann und Frau zu sichern, wurde sie rasch zur Fundi-Realo-Quote. Das hielt den Flügelstreit künstlich am Leben, denn die beiden Spitzen waren meist nur ihrer Strömung verpflichtet und nicht der Gesamtpartei.

Selbst eine so kooperative Spitze wie Kuhn und Roth lag in der entscheidenden Frage, dem Afghanistan-Einsatz, um Welten auseinander. Dies war ein Grund für die ausufernde Debatte in Partei und Fraktion – und den schlechten öffentlichen Eindruck. In Rostock war zu spüren, dass die Mehrheit genug hat von der ewigen Gewissensquälerei und dem Misstrauen gegen sich selbst. Eine Fortsetzung der Strukturreform ist nun nötig. Erst wenn eine Partei ihrem Personal vertraut, vertrauen ihr auch die Wähler wieder. Man muss ja den alleinigen Parteivorsitz nicht gleich Joschka Fischer anvertrauen. MATTHIAS URBACH