USA: Konkurse statt besserer Konjunktur

Energieriese Enron steht vor dem Kollaps. Bananenfirma Chiquita ist pleite. Die US-Konjunktur sackt weiter ab

BERLIN taz ■ In einem Punkt ist die US-Wirtschaft derzeit Spitze: im Produzieren von Hiobsbotschaften. So zeichnete sich gestern, einen Tag nachdem die US-Notenbank von einem Verharren der US-Wirtschaft in der Rezession berichtet hatte, einer der größten Firmenzusammenbrüche der amerikanischen Geschichte ab. Betroffen ist das Unternehmen Enron, eine riesige Energiehandelsfirma aus Houston, die in der Fortune-500-Liste jüngst noch als siebtgrößte US-Firma verzeichnet ist. Der Konzern hat 21.000 Mitarbeiter, 5.000 davon in Europa.

Zu der dramatischen Entwicklung bei Enron war es gekommen, nachdem der kleinere Energiekonzern Dynegy seine Übernahme des Energieriesen am Mittwoch hatte platzen lassen. „Wir sind nicht mehr an der 9,3-Milliarden-Dollar-Übernahme interessiert“, hatte lapidar ein Dynegy-Sprecher in Houston verkündet. Enron habe die Vereinbarungen vom 9. November gebrochen und unter anderem umfangreiche Schulden nicht bilanziert. „Das Vertrauen ist weg.“ Die Enron-Aktien brachen daraufhin an der Wall Street um 85 Prozent ein. Damit wurde das Unternehmen, das vor etwas mehr als einem Jahr noch einen Börsenwert von 80 Milliarden Dollar hatte, nur noch mit gut 450 Millionen Dollar bewertet. Der Enron-Zusammenbruch wird voraussichtlich weitreichende Folgen haben. So gaben zunächst auch Titel von Enron-Kreditgebern wie den Großbanken J.P.Morgan und Citigroup um mehr als fünf Prozent nach. Im Falle einer Pleite würden beide Banken zusammen gut 400 Millionen Dollar Verlust machen. In Europa und Asien wird erwartet, dass Enron massive Liquiditätsprobleme bekommt, da die Handelspartner bei Gas und Strom ihre Geschäfte zurückfahren oder gar einstellen könnten, wie Händler erklärten.

Auch deutsche Enron-Handelspartner wie Eon und RWE rechnen mit Problemen. Ein RWE-Sprecher sagte gestern in Essen, dass der Handelstochter des Unternehmens bis zu elf Millionen Euro (etwa 20 Millionen Mark) im Falle einer Enron-Zahlungsunfähigkeit verloren gehen könnten.

Enron ist jedoch nicht der einzige prominente Krisenfall. Der US-Lebensmittelkonzern Chiquita Brands, hierzulande vor allem wegen seines Bananenlieferantenzweiges bekannt, hat bereits Konkurs beantragt. Gläubiger seien von dem Insolvenzplan nicht betroffen, versicherte der Konzern. Kunden würden normal beliefert, Lieferanten voll bezahlt.

Unterdessen hieß es bei der Veröffentlichung des US-Konjunkturberichts „Beige Book“ in Washington, dass in den meisten US-Regionen Anzeichen für eine weitere Konjunkturabschwächung festzustellen seien. Die Preise seien im Oktober/November jedoch stabil geblieben. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet dennoch nur eine kurze Rezessionsdauer: „Nach dem starken Abschwung wird sich die US-Wirtschaft 2002 wieder erholen.“ Ihre Prognose: 0,75 Prozent reales Wachstum in diesem Jahr und 2,75 Prozent nächstes Jahr. GREGOR THOLL