Dabei sein ist alles

Der Markt für Produkte zur privaten Altersvorsorge wird aufgeteilt, nicht immer zum Vorteil der Verbraucher. Die Euphorie der Finanzdienstleister im Vorfeld der Rentenreform ist gewichen

Viele Vermittler und Anbieter von Altersvorsorgeprodukten stehen der im Mai dieses Jahres im Zuge der Rentenreform beschlossenen staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge inzwischen skeptisch gegenüber. Einig sind sich zwar alle darüber, dass die Reform ein richtiger Schritt ist. Gegen die konkrete Gestaltung des Gesetzes aber gibt es zum Teil massive Vorbehalte in der Branche.

Für die Makler ist die Vermittlung von privaten „Riester-Renten“ unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wenig attraktiv, weil der Aufwand für diese äußerst beratungsintensiven, schwer verständlichen Produkte in keinem Verhältnis zum möglichen Verdienst steht. Die Provisionen für die Förderprodukte betragen nur 50 bis 70 Prozent der Vergütungen, die für nicht geförderte herkömmliche Produkte gezahlt werden. Und während die Provisionen für herkömmliche Lebens- oder Rentenversicherungen nach Abschluss als Gesamtsumme fällig sind, müssen sie bei „Riester-Produkten“ auf die ersten zehn Jahre der Laufzeit verteilt werden.

Auch die Gesellschaften selbst gehen davon aus, frühestens in 15 bis 20 Jahren Geld damit zu verdienen. Trotzdem stehen die Versicherer, Bausparkassen und andere Anbieter seit Monaten in den Startlöchern; einige mit äußerst aggressiven und inzwischen sogar gerichtlich beanstandeten Werbestrategien wie die Victoria, andere diskreter und vor allem über ihren Außendienst agierend wie die Allianz. „Dabei sein ist alles“, so scheint die Devise zu lauten.

Das Kalkül, das die Gesellschaften regiert, ist einerseits die Sicherung von Marktanteilen für das zukünftige und dann auf Grund des höher werdenden Volumens, so die Hoffnung, Gewinn bringende Geschäft. Zum anderen soll, so die Vertriebsstrategie vieler Anbieter, die „Riester-Rente“ sozusagen als Türöffner genutzt werden, um andere Produkte unter die Leute zu bringen, beispielsweise indem gleichzeitig Berufsunfähigkeitspolicen oder herkömmliche Altersvorsorgeprodukte verkauft werden.

Die Gründe für die geringen Gewinnmöglichkeiten der geförderten Altersvorsorgeprodukte liegen in den sehr hohen Anfangsinvestitionen etwa für Produktentwicklung, Marktingmaßnahmen oder Vertriebsschulungen. Zudem aber drücken auch die laufenden Kosten, die durch einen mit den gesetzlichen Vorschriften verbundenen höheren Verwaltungsaufwand entstehen, auf die Margen. Neben zusätzlichen Informationspflichten wie der Berichtspflicht zur Anlagepolitik oder dem jährliche Kontoauszug bestehen Zwänge, was Anlagepolitik und Produktgestaltung betrifft, wie zum Beispiel die automatische Zwangsverrentung der Ablaufleistung oder die Garantiezusage zur Rückzahlung des eingezahlten Kapitals. Und nicht zuletzt muss der Anbieter dem Kunden ohne oder mit nur geringen Kosten den Wechsel zu einem anderen Anbieter ermöglichen, was sicher die Stornoquoten erhöhen wird. Auch das ist ein schwer zu kalkulierender Kostenfaktor.

So nimmt es nicht wunder, dass einige Gesellschaften wie zum Beispiel der englische, seit geraumer Zeit auf dem deutschen Markt agierende Versicherer Standard Life sich vorbehält, wann und ob er überhaupt ein zertifiziertes Altersvorsorgeprodukt auf den Markt bringt. Man gehe von „zwei Produktgenerationen“ aus, so begründet der General Manager Deutschland, Bertram Valentin, die Zurückhaltung des Konzerns. Die Produkte der ersten Generation würden „voraussichtlich nicht zu den kostengünstigsten gehören“. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die notwendigen Verwaltungsprozesse noch nicht ausreichend klar. Abzusehen sei, dass sie aufwändig seien. Standard Life werde erst auf den Markt gehen, wenn ein solches Produkt ausreichend kalkuliert werden und den „Qualitätsansprüchen“ des Unternehmens genügen könne.

Diese Vorsicht nützt vielleicht nicht nur dem Wohlergehen des Unternehmens selbst, sondern orientiert sich auch tatsächlich einmal am viel beschworenen Kundennutzen. Denn auch für die Anleger selbst könnte die Attraktivität der staatlichen Förderung mit zunehmendem Informationsstand abnehmen. Die durch gesetzliche Regelungen entstehenden Kosten werden natürlich auch an sie weitergeleitet. „Riester-Renten“, so ist zu befürchten, werden deshalb zwischen fünf und zehn Prozentpunkte schlechtere Leistungen als herkömmliche Rentenprodukte bringen, so dass sich die Inanspruchnahme der staatlichen Förderung nur für Familien oder Alleinerziehende mit möglichst mehreren Kindern und sehr niedrigem Einkommen überhaupt lohnt. Für Normal- und Besserverdienende sind die steuerlichen Vorteile, die eine ganz herkömmliche Direktversicherung ohne die neue Förderung bietet, möglicherweise viel rentabler, vor allem wenn sie im Rahmen eines rabattierten Gruppenvertrages abgewickelt werden kann.

Bei Anlagen in Investmentfonds schlägt die Verpflichtung für zertifizierte Produkte, das Kapital in jedem Fall zurückzuzahlen, besonders stark zu Buche. Diese Garantie zwingt die Fondsgesellschaften zu Absicherungsstrategien, die den Anleger etwa bei einer angenommenen Durchschnittsrendite von acht bis neun Prozent ein bis zwei Prozentpunkte kosten werden. Und das – darauf hinzuweisen werden die Gesellschaften nicht müde –, obwohl dieses Sicherheitsnetz nicht notwendig ist.

Tatsächlich haben, so das Argument, die Fonds auch bei noch so schwer wiegenden Börsenkrächen bei längeren Laufzeiten ihr Kapital immer wieder eingespielt. Die auf den ersten Blick geringen Performance-Unterschiede von einem oder zwei Punkten aber führen bei langen Laufzeiten zu empfindlichen Einbußen. Bei einer Einzahlung von 100 Mark monatlich über 40 Jahre hinweg beträgt das Ergebnis mit einer durchschnittlichen Rendite von neun Prozent gerechnet etwa 470.000 Mark, mit sieben Prozent dagegen nur rund 260.000 Mark. Und das ist eine Differenz, die auch eine staatlichen Förderung nicht ausgleichen kann. BIRGIT BOSOLD

Die Autorin ist Finanzplanerin bei der Berliner Finanzkontor GmbH, Kontakt Tel.: (0 30) 21 47 47 90.