DER SOLIDARPAKT II HILFT DEN OSTDEUTSCHEN LÄNDERN – EIN WENIG
: Staatsverarmung

Ohne den Solidarpakt II wäre für die ostdeutschen Länder eine unerträgliche Situation entstanden, da sie zu einem Drittel von dieser Förderung abhängig sind. Aber auch mit dem Solidarpakt II ist nicht automatisch der Aufholprozess Ost garantiert.

Globale Vernetzung bringt auch globale Abhängigkeit: Seit drei Jahren bleiben die Wachstumsraten Ost wieder hinter den westlichen zurück. Selbst ein Anziehen der Konjunktur dürfte die Steuereinnahmen im Osten nicht so stark steigen lassen wie im Westen. Das liegt auch an der von Oskar Lafontaine beschriebenen „systematischen Staatsverarmung“, also der Abkopplung der öffentlichen Einnahmen vom Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts und Privatvermögens. Die dem Standortkrieg geschuldete Steuerreform belegt das.

Während Unionspolitiker einerseits noch mehr Entlastung für Unternehmen fordern, warnen auch CDU-geführte Ostländer vor einem Vorziehen der zweiten Stufe der Steuerreform. Zu den Erfahrungen des letzten Jahrzehnts gehört nämlich, dass selbst massive Investitionen in die Infrastruktur und weit über Westniveau liegende staatliche Investitionsquoten nicht zu einer entscheidenden Stärkung ostdeutscher Wirtschaftskraft geführt haben. Straßen, Gewerbegebiete und moderne Kabelnetze machen zwar den Fortschritt in den Beitrittsländern sichtbar, schaffen aber nur wenige Arbeitsplätze auf Dauer. Zudem können die Ostländer nicht alles Geld in die wirtschaftliche Aufholjagd stecken, da sie auch beträchtlich in Bildung, Kultur und Soziales investieren müssen.

Es ist unredlich, den erwünschten Angleichungsprozess nur als eine Frage der Zeit darzustellen. Denn für die entscheidenden privatkapitalistischen Wirtschaftsinvestitionen gilt nach wie vor der Bibelspruch: „Wer hat, dem wird noch gegeben; wer nichts hat, dem wird auch das Wenige noch genommen.“ Gegen die deprimierenden Aussichten eines ostdeutschen Mezzogiornos muss sich das Gefühl des Beitrittsbürgers wehren. Er sollte sich aber auch dagegen wehren, die Arbeitswelt vollkommen zu deregulieren, Tarifvertäge zu kündigen oder die Mitbestimmung in den Betrieben abzuschaffen, wie es der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf fordert. MICHAEL BARTSCH