AKW Temelin hat Österreichs Segen

Einigung im Dauerstreit mit Tschechien, weil Österreich Kompromiss zustimmt: Sicherheit des Pannen-Reaktors soll verbessert werden. Aber Temelin-Vereinbarung wird nicht in EU-Beitrittsvertrag aufgenommen. Atomexperten: „niederschmetternd“

von DANIELA WEINGÄRNTER und ULRIKE BRAUN

Der Dauerstreit um das tschechische Pannen-Atomkraftwerk Temelin ist beendet. Am Donnerstagabend einigten sich Österreichs Regierungschef Wolfgang Schüssel und Tschechiens Premier Milos Zeman bei einem Treffen in Brüssel auf drei zentrale Punkte: Eine Liste von Maßnahmen, die die Sicherheit des Kernreaktors Temelin verbessern sollen. Ferner die Feststellung, dass mit dem Kompromiss kein neuer gemeinschaftlicher EU-Sicherheitsstandard für AKW geschaffen werde. Schließlich die Ankündigung, dass Tschechien sein Energiekapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen bis zum 12. Dezember abschließen kann.

Österreichische Journalisten reagierten verblüfft auf das Ergebnis. Statt der Zusicherung, die Temelin-Vereinbarung in den EU-Beitrittsvertrag aufzunehmen, habe Österreich ein vages Versprechen bekommen. Atomexperten kritisierten das Ergebnis als „niederschmetternd“: Zehn zentrale Forderungen im Schwarzbuch der österreichischen Regierung seien nicht erwähnt.

Tatsächlich stehen Kommunikation und Transparenz in dem Text an erster Stelle: Eine Hotline, die bereits funktioniert, ein Frühwarnsystem und eine Energiepartnerschaft zwischen Tschechien und Österreich. Diese Garantien, die vor allem bei Notfällen bedeutsam werden, dürften die Temelin-Gegner in Österreich jedoch ebenso wenig beruhigen wie die Zusicherung, die Erdbebensicherheit des Reaktors an den Standards der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien zu orientieren. Diese Standards halten Fachleute für unzureichend. Und was die sieben gravierenden Sicherheitsmängel angeht, die in Temelin festgestellt wurden, enthält die Vereinbarung lediglich die Zusicherung, von der tschechischen Nuklearbehörde geforderte Tests durchzuführen und das Ergebnis der österreichischen Seite mitzuteilen. Besonders bedenklich ist die mangelnde Intergrität des versprödeten Reaktordruckbehälters. “Internationalen Standarten zufolge hätte das Kraftwerk nicht eingeschlaten werden sollen“, meint Josef Pühringer von der Initative „Plattform gegen die Atomgefahr“.

Dass die Regierung Schüssel unter Efolgsdruck stand, ist in Österreich ein offenes Geheimnis. Haiders FPÖ will die Temelindebatte für ihre Zwecke instrumentalisieren und hat schon in drei von neun östereichischen Bundesländern eine Petition erstellt, die zu einem Volksbegehren gegen den tschechischen EU-Beitritt führen soll.

Einig sind sich von der FPÖ bis hin zu den Grünen alle österreichischen Parteien, dass die geplante Privatisierung vom Betreiber ÈEZ (Tschechische Energiewerke) nicht transparent genug läuft. Dies hat auch das tschechiche Kartellamt kritisiert. Bis Mitte des kommenden Jahres soll der Energieriese, der einen jährlichen Nettoprofit von über vier Milliarden Kronen verbuchen kann, einen Käufer finden. Heißer favorit bis Ende Mai dieses Jahres war die deutsche EO.N. da sich die Diskussion im Temelin inzwischen aber zum Politikum, entwickelt hat, ist die EO.N lieber von ihren Lieferverträgen mit der ÈEZ ausgestiegen. Nun munkelt man in Prag, dass trotz verschiedener Interssenten aus den USA, Grossbritannien und Italien, der Zuschlag schon längst der französischen EdF zugefallen sei. Immerhin heisst es in der Brüsseler Vereinbarung, alle Sicherheitstests müssten abgeschlossen sein, bevor das AKW an einen privaten Betreiber verkauft werden darf.