Kontrolle statt Rückkehrhilfe

■ Kriegsflüchtlinge aus Sierra Leone müssen sich auf Ausweisung gefasst machen / Überprüfung von 69 angeblichen Kriegsflüchtlingen ergibt: Nur drei sollen aus Sierra Leone stammen

Übler Verdacht im Bremer Ausländeramt: Eine Befragung von 69 abgelehnten Asylbewerbern, die als Heimatland Sierra Leone angegeben hatten, habe ergeben, dass nur drei von ihnen tatsächlich aus dem westafrikanischen Krisenstaat stammten. Damit hätten die übrigen 66 Personen sich ihren Aufenthalt in Deutschland möglicherweise durch falsche Angaben gesichert. Denn zehn Jahre lang wurden auch abgelehnte Asylbewerber nicht ins Bürgerkriegsland Sierra Leone abgeschoben – schon weil es keine Flüge dorthin gab.

Das könnte sich bald ändern. Auch wenn das Auswärtige Amt noch „Reisewarnungen“ ausspricht, heißt es bei der Grenzschutzdirektion in Koblenz schon: „Grundsätzlich ist Rückführung möglich.“ Unterdessen schafft die Bundesbehörde gemäß den Anordnungen der Innenministerkonferenz die Voraussetzungen dafür. Sie kooperiert mit 13 afrikanischen Ländern, deren Botschaften Personal bereitstellen, um bei der Herkunftsbestimmung von Personen ohne Pass mitzuwirken. Zumeist wird nach Kenntnis der jeweiligen Landessprachen gefragt – oder nach regionalen Bauwerken und Einrichtungen. So auch vergangene Woche in Bremen.

Drei Tage lang fuhren im Ausländeramt in der Steinsetzerstraße busseweise Flüchtlinge auch aus vier weiteren Bundesländern vor. Außer Bremen hatten Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Brandenburg und Hamburg abgelehnte Asylbewerber vorgeladen, um diese vom Personal der Botschaft Sierra Leones auf ihre Herkunft überprüfen zu lassen. Die Kosten der Maßnahme, die unter beträchtlichem Polizeiaufgebot stattfand, tragen die Länder anteilig. Insgesamt wurden 132 Personen vorgeführt.

Unter den geladenen bremischen Flüchtlingen hatte die „Einladung“ zur Befragung größte Unruhe ausgelöst. Unmissverständlich angekündigt war einerseits: Wer nicht erscheint, würde polizeilich vorgeführt. Ohnehin waren die Aufenthaltspapiere der Betroffenen nur bis zum Datum der Befragung ausgestellt worden. Andererseits kursierten Gerüchte, Flüchtlinge sollten im Ausländeramt direkt festgenommen werden. „Viele Leute sind deshalb erst später hingegangen“, berichtet ein Sierra Leoner. Erst nachdem sich herumgesprochen habe, dass der Aufenthalt der Befragten um zwei Monate verlängert würde, trauten sich manche die Treppe hoch – und ließen sich regis-trieren und nach Waffen durchsuchen. Widerwillig zwar. „Das ist eine Erniedrigung. Man will uns einschüchtern“, äußerten viele der fast ausschließlich männlichen Wartenden. Nach Angaben der Ausländerbehörde sind nur acht Personen dem Termin unentschuldigt fern geblieben. Freunde von Flüchtlingen kritisieren unterdessen, das Polizeiaufgebot und die Behandlung im Ausländeramt haben bei Einzelnen traumatische Kriegs- und Fluchterlebnisse wieder zutage gefördert.

Das Ausländeramt bewertet die Aktion als erfolgreich. Man erwäge nun weitere Vorführungen, um die strittigen Identitäten der 66 mutmaßlichen Nicht-Sierra-Leoner zu überprüfen. Die drei amtlich festgestellten Sierra Leoner sollen nun Passersatzpapiere für die Rückführung in die Heimat erhalten. Das jedoch könne lange dauern. In den vergangenen zehn Jahren es keine Abschiebungen aus Bremen nach Sierra Leone gegeben, aus anderen Bundesländern sind derzeit allenfalls Einzelaktionen bekannt – zumeist auf Umwegen.

Die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) hält sich mit Lageeinschätzungen zu Sierra Leone zurück. „Wir denken über Rückführungen von Flüchtlingen aus anderen afrikanischen Ländern nach“, sagt Anna Büllesbach, Leiterin der Nürnberger Zweigstelle des UNHCR. Unbestritten sei eine Stabilisierung der Lage seit Jahresbeginn, als das UNHCR die europäischen Länder zur Geduld mahnte. Überstürzte Rückführungen könnten den Friedensprozess, der noch von afrikanischen Friedenstruppen überwacht wird, allerdings gefährden. Grundsätzlich fordert sie: „Die Rückkehr muss positiv gestaltet werden.“ Es sei Hilfe gefordert, keine Polizeimaßnahmen. Eva Rhode