Deutsche Truppen in den Hindukusch?

In Berlin wird immer intensiver eine deutsche Beteiligung an einer Friedenstruppe für Afghanistan diskutiert. Die Frage ist, in welcher Form

BERLIN taz ■ Noch mögen die wenigsten Politiker offen in Berlin darüber reden. Doch in Hintergrundgesprächen wird die Frage immer häufiger gestellt: Sollen sich die Deutschen an einer künftigen Friedenstruppe in Afghanistan beteiligen? Und wenn ja, in welcher Form? Als UN-Blauhelme? Oder ausgestattet mit einem robusteren Mandat und zugleich legitimiert durch einen UN-Ratsbeschluss? Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher meinte gestern im Hessischen Rundfunk, eine Friedenstruppe gehöre „in die Hand der Vereinten Nationen.“ Darin solle Deutschland die UN unterstützen.

Dass die Teilnahme der Bundesrepublik an einer internationalen Friedenstruppe gewünscht wird, war nicht zuletzt während der ersten Tage der Afghanistan-Konferenz in Königswinter bei Bonn deutlich geworden – unter anderem hatte dies öffentlich Mohammed Amin Farhang verlangt, ein Vertrauter des früheren afghanischen Königs Schah. Von einer UN-Blauhelmmission, die möglicherweise über nicht mehr als das Recht zur Selbstverteidigung verfügt, scheint man in Konferenzkreisen wenig zu halten.

Neben Deutschland wird in Berlin als ein Teilnehmer einer künftigen Truppe die Türkei genannt. Ihr Vorteil: Sie stellt muslimische Kräfte und hat Erfahrungen bei internationalen Friedensmissionen, zuletzt auf dem Balkan. Ihr Nachteil: Sie verfolgt selbst geopolitische und wirtschaftliche Ziele in Zentralasien. Eine Führungsrolle der Türkei in einer Schutztruppe gilt zumindest als problematisch. So rücken Staaten wie Malaysia oder Indonesien als mögliche Führungsnationen in den Mittelpunkt der Überlegungen.

Unterhalb der rot-grünen Regierungsebene in Berlin wird dieser Tage über eine deutsche Beteiligung verstärkt öffentlich gesprochen. Unter anderem wurde der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose (SPD), in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit der Bemerkung zitiert, man werde „sich nicht entziehen können“, wenn von den afghanischen Parteien eine eindeutige Bitte um Beistand ausgehe. Voraussetzung seien allerdings ein Ende des Krieges und ein UN-Mandat, so Klose.

Selbst bei den Kriegsgegnern in der Grünen-Fraktion, die jüngst eine Niederlage auf dem Bundesparteitag in Rostock erlitten, scheint man sich mit einer deutschen Beteiligung an einer Friedenstruppe anzufreunden. „Man sollte solche Überlegungen nicht ausschließen“, meinte gestern der Parteilinke Bundestagsabgeordneter Christian Ströbele gegenüber der taz. Vorausgehen müsse dem aber nicht nur „das Kriegsende in Afghanistan“. Auch darf nach Ansicht Ströbeles eine Friedenstruppe nicht von den USA oder der Nato geleitet werden. Zudem müsse sie mit einem UN-Mandat ausgestattet, in ihrer „Zusammensetzung neutral“ und ihr „Auftrag klar umrissen“ sein. SEV