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In Franzis Schatten

Hannah Stockbauer war auf dem besten Weg, Deutschlands Schwimm-Glamourgirl Nummer eins zu werden, doch nun schwimmt sie zurück

aus Rostock SEBASTIAN MOLL

Bei den Deutschen Kurzbahn-Meisterschaften der Schwimmer in Rostock standen andere im Rampenlicht – und Hannah Stockbauer schien das gerade recht zu sein. Franziska van Almsick war wieder jene, die von den Fernsehkameras verfolgt wurde, und gelegentlich interessierten diese sich sogar für den neuen Weltrekordmann Thomas Rupprath. Hannah Stockbauer, die nach den Weltmeisterschaften in diesem Sommer, wo sie vier Medaillen gewann, vorübergehend den vakanten Platz als Deutschlands liebste Schwimmerin eingenommen hatte, saß derweil neben ihren Eltern auf der Tribüne und betrachtete in aller Ruhe das Geschehen.

Zweimal stieg sie zwischendurch ins Wasser, verteidigte einmal ihren deutschen Meistertitel und wurde einmal Dritte. Doch das interessierte nur wenige; Franzi war ja wieder da. Als absurd bezeichnete die rothaarige Fränkin die wild kursierenden Gerüchte, sie habe sich nach ihrem WM-Erfolg den Medien an den Hals geschmissen. In einem Interview mit der Welt soll Stockbauer nämlich gesagt haben, sie würde sich für den Playboy „sofort“ ausziehen, mit dieser Äußerung wird sie seither immer wieder konfrontiert. „Das muss ich wohl im Schlaf gesagt haben“, behauptet sie jetzt.

Ob sie es nun gesagt hat oder nicht, im Nachhinein fühlt sie sich auf jeden Fall falsch verstanden. Die Tatsache, dass sie sich wenig später für das Herrenmagazin Maxim tatsächlich ausgezogen hat, lässt ihre Empörung allerdings wenig glaubhaft erscheinen. Maxim war just jenes Magazin, das auch Franziska van Almsick nur leicht bekleidet abgelichtet hatte, und die Vermutung, Stockbauer habe den Wettbewerb um Deutschlands glamouröseste Schwimmnixe gegen die Berlinerin angetreten, lässt sich nicht einfach vom Tisch wischen.

In Rostock schien es nun so, als gebe sich Stockbauer auf diesem Terrain einstweilen geschlagen. Die 19-Jährige gab stattdessen das zurückhaltende Mädchen aus der Provinz. Mit ihrer Form sei sie noch nicht so zufrieden, erzählte sie, insbesondere die 800 Meter, über die sie Weltmeisterin ist, seien ihr gegen Ende schwerer gefallen, als ihr lieb war. Das liege daran, dass sie im Augenblick für das Abitur lerne, und das sei momentan wichtiger als das Schwimmen.

Im weiteren Verlauf der Kurzbahn-Saison werde sie sich auf das Weltcupfinale in Berlin im Januar konzentrieren. Mindestens genauso bedeutsam sei für sie jedoch die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Februar. Da könne sie ihren Kolleginnen von der SSG Erlangen etwas von dem zurückgeben, was sie dort über die Jahre an Unterstützung erfahren habe. Bescheidenheit und Demut auf allen Gebieten also.

Nach ihren ersten stürmischen Schritten an die große Öffentlichkeit macht Hannah Stockbauer anscheinend erst einmal wieder einen Rückzieher. Sie habe jetzt großes Verständnis für van Almsick, sagt sie, nachdem sie selbst erfahren hat, was man als öffentliche Person etwa mit unbedachten Äußerungen lostreten kann und wie dies wiederum auf einen zurückfällt. „Große Angst“, sagt sie, habe sie nach diesen Erfahrungen auch davor, was geschehen könnte, würde sie etwa im nächsten Jahr den Erwartungen der Öffentlichkeit und der Medien nicht entsprechen können. Da backt sie vorsichtshalber erst einmal wieder kleinere Brötchen. Und ist irgendwie sogar froh, dass Franziska van Almsick wieder da ist.

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