Lynchjustiz gegen Voodoo

Im westafrikanischen Benin geht Angst vor Penisdieben um. Verdächtig: Mofafahrer

COTONOU taz ■ Seit einigen Tagen ist es nicht ratsam, in Benins Hauptstadt Cotonou ins Zentrum zu fahren. Denn momentan herrscht Panikstimmung: Der Penisklau geht um.

Busse und Taxis sind in Cotonou unbekannt. Der öffentliche Personentransport läuft auf Motorradtaxis. Das sind keine motorisierten Rikschas, sondern Mofas – auch Zemedjiens genannt und in der Umgangssprache „Keke no“ gerufen. Das Mofa braucht kein Verkehrsschild und der Fahrer keinen Führerschein, weshalb viele, die gerade vom Dorf kommen und vielleicht noch nicht einmal gepflasterte Straßen gewöhnt sind, sich gleich als Transporteure verdingen. Der Gestank dieser Öl-Benzin-Takter ist unvorstellbar. Alles wird darauf transportiert: bis zu drei Passagiere, Fufu-Säcke, Ziegen, Rinderkeulen, sogar mannshohe Kühlschränke.

Ein Gerücht hält sich hartnäckig: Um Transportkosten zu sparen, setzen Krankenhäuser sogar Tote zur Überführung auf die Mofataxis. Ein anderes Gerücht aber hat sich in den vergangenen Tagen sogar bewahrheitet. Mehrere dieser Zemedjiens-Fahrer sind auf brutale Weise ums Leben gekommen. Nicht durch Verkehrsunfälle, was sowieso häufig passiert – rund zwei Drittel aller Unfallopfer in den städtischen Krankenhäusern sind Zemedjiens-Fahrer oder deren Passagiere. Nein: Die professionellen Mofafahrer sollen Penisse geklaut haben.

Das hat natürlich etwas mit Voodoo zu tun; Benin gilt als progressives Land in Sachen alternative Religionen. Voodoo ist als Staatsreligion anerkannt – zumindest je nachdem, wer gerade Präsident ist. Wenn jemand also in Benin das Geschlechtsorgan eines anderen klaut, dann führt er nichts Gutes im Schilde. Was er damit macht, weiß man nicht genau. Wahrscheinlich wird die Voodoo-Medizin mit der seltenen Zutat dann besonders stark.

Die Panik geht ganz einfach: Irgendjemand schreit, dass sein Penis verschwunden sei. Von einer Sekunde zur anderen tummeln sich überall Spitzel und suchen alle Passanten nach Verdächtigen ab. Es müssen nicht Zemedjiens-Fahrer sein, obwohl sie bevorzugt beschuldigt werden, weil die Leute ihnen ohnehin unterstellen, auch als Diebe zu arbeiten. Auch ein älterer Mann wurde schon beschuldigt – verheiratet und Vater von sieben Kindern. Damit sich jemand seines Penisses beraubt wähnt, reicht es, dass er sich des „bösen Blickes“ ausgesetzt sieht – körperlicher Kontakt ist nicht nötig.

Was mit gefangenen beschuldigten Penisdieben passiert, ist Lynchjustiz an Ort und Stelle. An die zwei Dutzend Verdächtige sind bereits verbrannt worden, darunter viele Mofataxifahrer. Auch ein paar Nigerianer hat die Rache des Volkes bereits getroffen. Ein Fotojournalist konnte es gerade noch schaffen, dem Mob zu entkommen.

Alles Schwindel und verantwortungslose Panikmache, schreibt zwar die beninsche Tageszeitung Le Matinal: Jeder Penis sei weiter an Ort und Stelle gewesen. Diese simple Tatsache beeindruckt die Leute aber nicht. Die Phobie vor Penisdieben hat traumatische Züge angenommen. HAKEEM JIMO