Die Schulen sind richtig mangelhaft

■ Die schlechten Ergebnisse deutscher Schüler bei PISA schockierten auch Bremen: Lehrer, Behörde und Schulen. Bildungssenator Lemke präsentierte gestern erste Handlungsfelder

Die nächsten Studienfahrten der Bremer Bildungspolitiker dürften wohl nach Finnland gehen. Dem Land mit den Ganztagsschulen, wo Kinder überhaupt erst mit sieben in die Schule kommen, dann neun Jahre zusammen in eine „Grundschule“ gehen und mit 16 schließlich zwischen Gymnasium und Berufsschule wählen können. Ein schönes Land, das aus schulischer Sicht offenbar alles besser macht als Bremen und die Bundesrepublik. Das besagt jedenfalls die ges-tern offiziell vorgestellte Schulleis-tungs-Studie PISA.

Der internationale Leistungsvergleich in Lesen, Mathe und Naturwissenschaften löste – nicht nur in Bremen – bildungspolitische Erdbeben aus: „Das System, wie es hier 25 Jahre betrieben wurde, muss dringend umgestaltet werden“, fordert nicht nur der CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer. Auch die SPD-Politikerin Ulrike Hövelmann ist schlicht schockiert. Reichten die Leistungen der deutschen SchülerInnen doch gerade mal fürs untere Drittel. Einsame Spitze sind die deutschen Schulen nur bei der Des-Integration von Migranten. „Unser Bildungssystem“, gesteht Hövelmann, „hat hier offenbar versagt“.

Lehrer, Schulen und Behörde jedenfalls zuckten gestern ebenfalls zusammen: „Wir haben zwar gewusst, dass wir Probleme haben, aber dass so viele andere Länder es so viel besser machen, das haben wir nicht gewusst“, musste auch Bildungssenator Willi Lemke (SPD) eingestehen. Die ganzen Unterrichtsmethoden gehörten auf den Prüfstand, fordern auch die Bremer Grünen.

Was die Lösungsfindung nach PISA angeht, sind sich beide Koalitionspartner in Bremen erst mal einig: „Keine Schnellschüsse, keine ideologischen Grabenkämpfe.“ Es würde ohnehin eine ganze Schülergeneration dauern, bis Änderungen greiften, meint Lemke.

Klar ist auch, dass es mehr Ganztagsschulen in Bremen geben soll: sechs ab dem nächsten Schuljahr – aber das war auch schon vor PISA klar. Und seit diesem Herbst ein Praxissemester für die Lehramtsstudenten. Außerdem will Lemke in regelmäßigen Abständen die Schülerleistungen evaluieren.

Darüber hinaus wird es „Rechenschaftsberichte“ über die Integrationsleistung geben. Derzeit bekommen sozial benachteiligte Schulen rund 30 Prozent mehr Stunden. „Aber das hat offenbar nicht gegriffen, sonst wären wir nicht die Letzten.“

Krach könnte es aber um die Gymnasien geben. „Ich fordere die CDU auf, sich von den ideologischen Weisheiten der 50er Jahre zu verabschieden“, machte Hövelmann dagegen unmissverständlich klar. Und meint die Förderung der Gymnasien. Allein in den letzten zehn Jahren wurden in Bremen sechs zusätzliche Gymnasien geschaffen. Ein Drittel der Gymnasial-SchülerInnen geht inzwischen nicht mehr ins Schulzentrum. „Ohne die stärkeren Schüler werden die aber zu reinen Haupt- und Realschulen“, kritisiert Jürgen Burger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Und verweist auf die PISA-Studie.

Senator Lemke will sich auf solche Strukturdebatten aber nicht mehr einlassen. „Es geht hier nicht um Stärkung oder Schwächung der Schulzentren, sondern um die Verbesserung des Unterrichts.“ Auch die Bremer CDU will erst mal den Ländervergleich der deutschen Bundesländer im Herbst 2003 abwarten. „So ganz falsch können Bremer Eltern doch nicht liegen“, meint Rohmeyer, wenn sie ihre Kinder lieber auf die Gymnasien schickten.

Man wird sehen, was PISA bewirken kann. Eine Studie über ähnlich schlechte Mathe-Leistungen in Deutschland ist jedenfalls jetzt drei Jahre her. Viel ist seitdem noch nicht passiert.

Dorothee Krumpipe