„Die Schnittmengen waren zu gering“

Berlins SPD-Landeschef Peter Strieder behauptet, ihm hätte Rot-Gelb-Grün als zukunftsweisendes Modell gefallen. Seiner Ansicht nach sind die Gespräche gescheitert, weil die FDP nicht sozialliberal ist und die Grünen nicht modern sind

taz: Herr Strieder, vier Wochen Koalitionsgespräche, und dann scheitert alles an der Getränkesteuer?

Peter Strieder: Nein, so ist es nicht. Klar ist, dass in der gegenwärtigen Situation von Berlin die Haushaltsfragen eine zentrale Rolle spielen. Die beiden anderen Parteien waren leider nicht bereit, sich auf diese Fragen zu konzentrieren. Sie haben Symbolthemen und Ideologien in den Mittelpunkt ihrer Gespräche gestellt. Und als es um die Haushaltskonsolidierung ging, sind die möglichen und notwendigen Maßnahmen vielfach abgelehnt worden. Die FDP war am Ende nicht mal mehr bereit, eigene Vorschläge zu machen. Wir können aber keine Koalition eingehen, in der die SPD für die harten Maßnahmen zuständig ist – und die anderen für das Gute.

Aber dass die FDP keine Steuererhöhungen will, ist doch schon länger bekannt.

Es gibt auch Dinge, die Sozialdemokraten eigentlich nicht wollen! Zum Beispiel die Haushaltsabsenkung bei Kindertagesstätten oder die enormen Einschnitte beim öffentlichen Dienst. In der Situation Berlins geht es nicht mehr um die Frage, was man will, sondern was man tun muss. Wenn man den Haushalt ausgleichen muss, dann kann man das nur, indem man Ausgaben absenkt und Einnahmen erhöht. Angesichts einer Deckungslücke von 10,2 Milliarden Mark ist beides nötig.

Haben Sie diese Steuererhöhungen nicht nur ins Spiel gebracht, weil Sie genau wussten, diese Hürde nimmt die FDP bestimmt nicht?

Der FDP waren diese Vorschläge seit mindestens drei Wochen bekannt. Sie sind auch in der Arbeitsgruppe Finanzen debattiert worden. Noch in der letzten, langen Nachtverhandlung haben wir angeboten, die Steuererhöhung zeitlich zu befristen.

Haben Sie den Eindruck, dass finale Nein kam von Herrn Rexrodt oder tatsächlich von Herrn Westerwelle?

Herr Rexrodt hat sich in der entscheidenden Nacht mit seiner Delegation besprochen und mitgeteilt, dass er auch mit Freunden auf der Bundesebene darüber telefoniert habe.

Rächt es sich jetzt, dass die SPD nicht mutig genug war, sofort mit Rot-Rot zu verhandeln?

Nein, die Entscheidung für die Ampel war aus Sicht der SPD richtig. Dieses Bündnis hätte wirklich ein Modell werden können, in einer so quirligen Stadt wie Berlin Neues zu wagen. Nämlich kreative Ideen aus Ökologie und liberalem Bürgertum mit der sozialen Verantwortung der SPD zusammenzuführen. Das hätte der notwendige Aufbruch für Berlin und für die gesellschaftlichen Verhältnisse sein können. Aber wir haben hier keine moderne grüne Partei und keine sozialliberale FDP angetroffen, sondern zwei Parteien, die immer noch in den Kategorien der 80er-Jahre denken. Die Schnittmengen zwischen ihnen waren offensichtlich zu gering. Die Gespräche wiesen einen großen Grad an Misstrauen aus.

Was werden Sie nun dem Bundeskanzler erzählen, der sich so sehr eine Ampel gewünscht hat?

Gerhard Schröder hat gesagt: Entscheidungen fallen dort, wo sie zu verantworten sind.

INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER