If the going gets tough

Stanley Kubricks ältester noch erhältlicher Film im Metropolis: Der schwarze Gangsterfilm The Killing kennt viele Verlierer – und bloß einen Gewinner  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Es spielt keine Rolle: Wie schlau Männer auch sind, mit welcher Brillianz sie auch das große Ding planen – sei es ein Raub, ein Mord, das Einschlagen der kürzesten Strecke zum Kino oder ein Beratungsgespräch in der Bank – alles was es braucht, um noch den schönsten Plan zunichte zu machen, ist einzig und allein die Durchtriebenheit einer Frau. Dieser Binsenweisheit aus der Nachkriegszeit des letzten Jahrhunderts gaben seinerzeit zahlreiche pulp fiction-Romane eine Form, für ihre kunstvolle Überlieferung bis in die heutige Zeit sorgte der Film noir.

Auch Stanley Kubricks dritter Spielfilm, The Killing (Die Rechnung ging nicht auf), basiert auf einem jener Schundromane. Doch nicht nur Lionel White, sein Autor, sondern auch Jim Thompson – ebenfalls ein pulp fiction-Schreiber und verantwortlich für die Dialoge – hinterließ sehr deutlich seine fatalistischen Spuren in dem Film. Zusammen gaben sie den Verlierertypen in The Killing ein Profil.

Als der billig produzierte Film 1956 in die Kinos kam und nur wenig Geld einspielte, erbarmte sich einer, der ihn schon damals für den großen Wurf hielt: Kirk Douglas. Er bot dem nun langsam bekannt werdenden Regisseur eine Zusammenarbeit an: In Paths of Glory (1957) und Spartacus (1960) spielte Douglas nicht nur jeweils die Hauptrolle, er zählte auch zu den Geldgebern der Filme.

Als großer Wurf gilt The Killing allerdings nicht seiner Story wegen. Die ist eher simpel gestrickt. Fünf Männer planen, die Kasse der Rennbahn auszurauben, während die Frau des schwächsten Glieds der Gruppe mit Hilfe ihres Liebhabers auf eigene Weise an das Geld zu kommen gedenkt, und damit ist eigentlich schon fast alles gesagt. Was den Film neben seiner rotzigen Oberfläche bis heute zu einem Vorbild für zahlreiche andere Filmemacher macht, allen voran Quentin Tarantino, ist seine komplizierte narrative Struktur.

In zahlreichen Vor- und Rückblenden fügt Kubrick das Ganze wie in einem Puzzle zusammen. Was die jeweils einzelnen am Plan beteiligten Männer ausführen, verfolgt der Film in vielen einzelnen Sequenzen, bis alles – wie in einer komplizierten Maschine oder einer fordistischen Produktionsstätte – zusammen funktioniert, bis die Beute endlich lieblos in einen Sack gestopft werden kann. Einzig einige wiederkehrende Bilder oder Töne und die sonore Stimme eines unbeteiligten Erzählers aus dem Off, die ständig das Einhalten des Zeitplans anmahnt, geben eine Orientierung in dem hektischen Zusammenschnitt – mit dem Ergebnis einer schier unerträglichen Spannung.

Es zählt zu den großen Rätseln der big caper-Filme, dass diese Spannung sich bis zur letzten Sekunde hält, obwohl – und das gilt besonders für The Killing – mehr als einmal im Verlauf des Films ein letztendliches Scheitern durch geschickte Anspielungen vorweggenommen wird und noch dazu eine klaustrophobische Kameraführung immer wieder zu sagen scheint: Es gibt kein Entkommen. Doch Kubrick wäre nicht Kubrick, hätte er nicht den Typus des Verlierers in ein gänzlich anderes Licht gerückt als zahlreiche Regisseure vor ihm.

Sicher, auch Kubricks Held, der Chef der Truppe Johnny Clay (Sterling Hayden), der nach fünf Jahren Alcatraz genug vom Gangster-Dasein hat und mit diesem letzten Coup lediglich seinem Rückzug aus dem „Geschäft“ eine finanzielle Basis geben will, muss am Ende seinem Scheitern ins Gesicht sehen – in einer übrigens wunderbar choreografierten Schlussszene. Doch The Killing verweigert gründlich eine Identifikation mit Clay wie mit allen anderen Charakteren des Films auch.

Die übliche Verherrlichung, ja die Romantisierung der Figur des Losers weicht in The Killing einer Bewunderung ganz anderer Art. Nicht dem Ausgang des kunstvoll durchgeführten Plans der Gangster fiebern wir entgegen, sondern dem Ende eines aufregend konstruierten Films.

Für die Masse seien Gangster und Künstler dasselbe, sagt einmal das Orakel des Films, der Franzose Maurice, Ringer und Besitzer eines Schachcafés, der im entscheidenden Moment eine Schlägerei provozieren und alle Polizeikräfte auf sich ziehen soll: „Man will sie scheitern sehen.“ Doch selbstverständlich geht aus The Killing – ganz romantisch – einer mit Sicherheit als Gewinner hervor: Stanley Kubrick.

Der Film läuft im Original mit Untertiteln: Do + Fr, 21.15 Uhr, So, 19 Uhr, Di + Mi, 17 Uhr, außerdem Do, 13.12., 21.15 Uhr, Sa, 15.12. + So, 16.12., 19 Uhr, Di, 18.12., 17 Uhr, Metropolis