Die Bremer Neustadt. La Rive Gauche

■ Shoppen in der Neustadt – klar geht das gut. Die taz zeigt wann und wo. Geschenkemuffel bitte wegsehen

Stoffwechsel gibt es im Buntentor nur aus Versehen. Die Gründerinnen des exklusiven Modeladens waren bei Eröffnung ihrer Design- und Nähwerkstatt komplett vorurteilsfrei – wenn nicht ahnungslos. „Dass man links der Weser keinen Laden aufmacht, haben wir erst später gehört“, lacht die Dritte im Bunde. Bremen ist ja nicht Paris. „Aber ich wüsste heute nicht, wo es besser wäre.“

Mode. Paris. Bremen-Neustadt. Wer diese Assoziation für anmaßend hält, sollte einfach mal in den Buntentorsteinweg kommen. Schließlich wird bei Stoffwechsel Mode geschneidert, die auch schon Veranstaltungen im Design-Zentrum Wagenfeld-Haus garnierte. Hose und Top. Wildseide. Rot. So rot. Und so figurbetont, dass der Abend nicht schief gehen kann. Auch für andere Anlässe gibts herrliche Auswahl. Den Rot-Kreuz-Mantel beispielsweise – der aber nur nach Armeedecke aussieht. Der Schnitt hat Pfiff wie das Muster – und wie alles hier. Die Neustadt – vergessenes Terrain für's Weihnachts-Shopping. Völlig zu Unrecht.

Der Martins-Shop gleich gegenüber beispielsweise bietet alles, was die Kinderseele braucht. Die Raupe Nimmersatt als Holzmodell zum Hinterherziehen. Dreiräder zum Juckeln. Halten Generationen. Und Kinderfahrräder mit Tröte. Oder Spielzelte. Nur eins hat der Martins-Shop nicht – und zugegeben, hier liegt ein kleines neustädtisches Manko: Vernünftige Öffnungszeiten.

Die Uhren ticken links der Weser, als hätte es nie eine Änderung der Nachkriegs-Ladenzeiten gegeben. Neun bis 13 und 15 bis 18 Uhr grenzt schon ans Höchste der Gefühle (bitte Kästchen beachten), zugegeben, in der Adventszeit haben einige – wie die Buchhandlung Balke und das Süße Kaufhaus durchgehend auf. Auch samstags gibts ein paar Ausnahmen von der festen Regel: Um 13 Uhr ist Schluss. Aber wer's bis dahin in die Pappelstraße, – die Herzschlagader des linksseitigen Weihnachtsshoppings – geschafft hat, bekommt beim Zeitungs-, Tabak- und Lottoladen Sievers den BSAG-Rückfahrschein. „Seit 111 Jahren.“ Fast immer Fensterplatz. Sogar für die Kurzstrecke.

Die Straße runter lohnt für den Bummel. Anschließend Kaffeetrinken im Adamsz. Zuerst Gekommene thronen erhöht auf rotem Samt und können – als auswärtige Viertelbewohner vielleicht sogar unerkannt – PassantInnen zuschauen, wie sie gegenüber zwischen Adventsgestecken und Gemüsekisten den vorweihnachtlichen Markteinkauf bewältigen.

Wer–s eilig hat, freilich, verkneift sich sowas. Auch Langschläfer gehen besser gleich zu Happy Shopping – jenseits der Friedrich-Ebert-Straße. Hier gibt–s fast alles. Ausgenommen schöne weiße Schlafzimmer-Schränke und moderne Garderoben. Aber wer verschenkt schon sowas? Dann schon eher Videos, Musik-CDs oder die klaren Gläschen für Jäger, mit eingeschliffener Wildsau und Rehkitz. Die anderen beiden, Fasan und Ente für die Vogelfreundin, sind schon weg. Für günstige drei Mark das Schnapsglas.

Sowieso wird Second Hand in der Neustadt groß geschrieben. Nicht nur gebrauchte Bücher – die–s bisweilen auch zu antiquarischer Würdigung bringen dürften. Sondern auch Kindersachen. Gleich zwei Lädchen gibt's, wo vom Mobile bis zum Baby-Skianzug alles gehandelt wird. Bei Martina in der Osterstraße und im Lenaund Lisa in der Lahnstraße. Zu verträglichen Preisen. Die Kinderbuchergänzung steht dort gleich gegenüber vom im Buchladen Harlekin – mit einer kompakten Auswahl an Kinderbüchern, die auf dem Grat des erzieherisch Wertvollen zum wirklich Begehrten balancieren. Um es gleich zu sagen: Wer hier nichts findet, egal für wen, ist wirklich verloren. Das ganze Sortiment an Szene-Taschenkalendern ist vorrätig. Und für Feinde des gedruckten Wortes gibt es sogar, hübsch gebunden, leere Seiten. Für die anderen eine Weihnachtsgeschichte, die zu verschenken sich niemand schämen muss: „Olaf, der Elch“ – schon immer ein Problemfall, weil er mit seinen zu großen Schaufeln überall aneckte. Ein Gefühl, das jeder kennt – und das Autor und Jazzer Volker Kriegel dank Weihnachtsmann glücklich enden lässt. Für nur 13 Mark 96. Die Lektüre zum Bratapfel. Oder zur Delikatess-Schokolade. Zum Likörchen. Oder zur Mousse. Die Quellen fließen in der Pappelstraße, in Antje's Käse-Lädchen oder im Weinladen straßauf. Beide mit Feinschmecker-F's dekoriert und von den Neustädtern goutiert. Wie auch feines, von dem Insider schelmisch als „Klein-Grasshoff“ sprechen, seit die Nichte das Geschäft führt. Ein seltener Fall von glücklicher Nachfolge.

Im x-ten Jahr schimmert es auch von der anderen Straßenseite – in der Kleinen Schachtel . Hier steht Kunsthandwerkliches – Stulpen, Papiernes, Tiffanyglas – einträchtig neben Bärchen. Wem der außergewöhnlich schöne Mammutschmuck – fossiles Elfenbein sibirischer Mammuts, jahrhundertelang tiefgefroren und jetzt im Odenwald verarbeitet – vom Juwelier Bremer nicht gefällt, findet hier vielleicht schönen Silberschmuck.

Abseitiger geht's beim Hökerer zu. Der Laden hält, was das Schild verspricht. Hier wird an Elfen, Jungfrauen und Hofschranzen verkauft – antikes Leopardenfell unter anderem. Und echte Schlangenhaut. Nein, das sind keine Fälle für den WWF. Eher für den Kühlschrank, denn wer weiß, wie lange die zarten Überbleibsel natürlicher Häutungsprozesse unbekannter Reptilien halten. Weshalb sich FreundInnen des weniger Vergänglichen wohl das (Trink-)Horn argentinischer Rinder kaufen. Oder das Fledermaus-Imitat.

Wer dennoch Schlange – und zwar beständig – liebt, dürfte um die Ecke in der Langemarckstraße gut beraten sein. Fast neben dem Blumenladen Stuff, unweit von art of evelyns bequemer Mode mit großen Knöpfen, prangt er bei F&S Dessous für Sie und Ihn: Der virile Body, Typ Schlange, fast transparent, bis auf das glitzernde Stückchen zwischen den Beinen. Für 122,27 Mark dürfte er nicht nur in der Neustadt seinesgleichen suchen. Eva Rhode