Gefilde des Friedens

■ Das Schleifen der bremischen Befestigungsanlagen 1802 fiel in eine Zeit der Friedenssehnsucht und der neuen politischen Moral – verrät das Bremische Jahrbuch des Staatsarchivs

Hier standen einst Bremens Befestigungsanlagen. Sie wurden 1802 abgerissen – im Vertrauen darauf, dass dauerhafter Frieden nur durch wirkungsvolle politische Konzepte erzielt werden kann.

So könnte der Bremer Senat an das Schleifen der Bremer Wallanlagen erinnern, wenn im kommenden Jahr die Wallanlagen ihren hundertsten Geburtstag feiern. Der Stoff für solche Einschätzungen auf Gedenktafeln und in Festreden, die dann sicher – anlässlich der Umgestaltung der Anlagen – gehalten werden, liefert die jüngste Ausgabe des Bremischen Jahrbuchs.

Die rot gebundenen knapp 300 geschichtsträchtigen Seiten, die das Bremer Staatsarchiv und die Historische Gesellschaft Bremen alljährlich herausgeben, sind gerade wieder an Bremens Buchhandlungen ausgeliefert worden*. Unter den zahlreichen Beiträgen – über Handelsbeziehungen nach Island, das Bremer Bier im Baltikum, das Olbers-Denkmal oder die Bremer Finanzverwaltung nach dem Krieg – ist die „Wallgeschichte“ eine, die dem bremischen Alltag heute am nähesten liegt. Obwohl die schwerfällige „historische Schreibe“ des Artikels eine echte Barriere bildet.

Wer–s drüber schafft, stößt auf spannende Details des bremischen Selbstbewusstseins von 1802 – das sich in keineswegs friedlichen Zeiten zur „neutralen Republik“ ausrief. Denn gerade erst waren die Franzosen durchs Land gezogen, die Engländer saßen noch bei Hannover. Doch offenbar hatten die Bremer nicht nur Kants „Ewigen Frieden“ gelesen, in dessen philosophischem Entwurf „die Vernunft (...) den Krieg schlechterdings verdammt, den Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht erhebt.“ Sie hatten vielmehr auch erlebt, dass Befestigungsanlagen – hat der Feind sich erst mal innerhalb der Mauern eingenistet – in die falsche Richtung wirken. Und so reifte schließlich die Idee, die ohnehin vernachlässigten Schutzwälle platt zu machen und Bremen zu einem neutralen Gebiet zu erklären. Was 1802 vom Senat abgesegnet wurde – und die Stadt nicht nur von der Verpflichtung befreite, Kriegsabgaben an das Reich zu zahlen. Es brachte sogar Geld – durch den Verkauf der Kanonen.

Von Augsburg bis Lübeck erklärten sich Städte zu „Gefilden des Friedens“. Bremen war unter den freien und unmittelbaren Reichsstädten nur die erste. Mit erstaunlicher Wirkung – denn tatsächlich verschonte die französische Armee die Stadt 1803. Da hatten die ersten SpaziergängerInnen schon in Scharen Ausflüge in die neu gestaltete Stadtumrandung gemacht. Obwohl von deren gartenbaulicher Ausgestaltung – nach den Vorbildern verschiedener damaliger Parkanlagen – noch nichts zu erkennen war. Doch Schenkungen von ungewöhnlichen Sträuchern und Bäumen durch Handelshäuser und Honoratioren waren für die Bepflanzung schon angekündigt. Und eine BürgerInnenschar lechzte schon nach Naturerlebnissen, die sie mit Picknickkorb und auf der Freizeitdecke erleben wollte.

Eva Rhode

*Bremisches Jahrbuch, Band 80 (2001), Selbstverlag des Staatsarchivs Bremen, 275 Seiten, 44,98 Mark oder 23 Euro