Wütende Ruhe nach dem Sturm

Die Straßenschlacht vor der Synagoge hat Nachwirkungen: Vertreter der Jüdischen Gemeinde üben heftige Kritik am Polizeieinsatz. Ein klärendes Gespräch wurde anberaumt, ist jedoch geplatzt. Nun herrscht gespannte Funkstille

„Wir warten lieber noch etwas, bis sich die Gemüter beruhigt haben“

Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz gegen NPD-Gegner vor der Synagoge in der Oranienburger Straße herrscht zwischen Ordnungshütern und Jüdischer Gemeinde vorerst gespannte Funkstille. Bisher gibt es keinen Termin für einen offiziellen Austausch zwischen Gemeindevertretern und den verantwortlichen Polizeiführern, wie er bei Vorfällen dieser Art üblich ist. Auch ein spontan vereinbartes klärendes Gespräch zwischen dem Einsatzleiter des samstäglichen Einsatzes, dem Leiter der zuständigen Direktion 3 und Gemeindevertretern fiel am Donnerstag aus.

Der Gemeindevorsitzende Alexander Brenner lud die Gäste in Grün, die bereits zugesagt hatten, kurzfristig wieder aus. „Wir warten lieber noch etwas, bis sich die Gemüter beruhigt haben“, hieß es gemeindeintern. Offensichtlich will man es sich mit den Berliner Ordnungshütern nicht verscherzen: Man befürchtete eine „ernst zu nehmende Verstimmung“, wenn vom Polizeieinsatz betroffene Synagogenbesucher ihren Unmut gegenüber den Verantwortlichen artikulieren.

Die Repräsentantenversammlung selbst fand auf ihrer Sitzung am Mittwoch keine einheitliche Position zur Bewertung des Polizeieinsatzes. Deutliche Kritik am Verhalten der Uniformierten habe allerdings vorgeherrscht, heißt es in Gemeindekreisen.

Von den 21 Repräsentanten hatten sich 11 an den Anti-NPD-Protesten vor der Synagoge beteiligt. Sie hatten sich auf die Straße gesetzt, um einen Durchmarsch der Neonazis zu verhindern. Später kam es vor der Synagoge an der Oranienburger Straße zu einer heftigen Straßenschlacht. Die Polizei antwortete mit Tränengas und Schlagstöcken auf Steinwürfe von Autonomen.

Derzeit sichtet die Behörde noch Videobilder und andere Daten. Zu einer bewertenden Stellungnahme mochte sich ein Polizeisprecher daher gestern noch nicht durchringen. Das Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde sei jedoch nicht angespannt.

Das sehen manche Gemeindemitglieder anders: Die Polizei habe nach ihren Beobachtungen alles getan, um die Situation genau an diesem Ort eskalieren zu lassen, sagten sie. Beamte hätten den Nazigegnern demonstrativ den Weg zur Wehrmachtsausstellung in der parallel gelegenen Auguststraße versperrt.

Die Versuche des Vorstandsmitglieds Meir Piotrkowski, vor Ort auf den Einsatzleiter einzuwirken, waren am vergangenen Samstag erfolglos geblieben. Piotrkowski, der als Sicherheitsdezernent der Gemeinde für die Kontakte zur Polizei zuständig ist, hatte sich nach dem Gespräch darüber beklagt, dass dem Beamten offenbar „die Sensibilität eines solchen Einsatzes vor der Synagoge nicht bewusst“ gewesen sei.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte sich am Montag ausdrücklich für „Kommunikationsfehler“ seiner Verwaltung bei der Gemeinde entschuldigt. Die Polizei hingegen, so heißt es im Umkreis des Gemeindevorstands, „fühlt sich wegen der Äußerungen gehörig auf den Schlips getreten“. Körting erntet in der Gemeinde zwar Anerkennung für seine Entschuldigung. Allerdings leistete der Innensenator nur für die Geheimhaltung der geänderten NPD-Route Abbitte. Eine Stellungnahme zu den Auseinandersetzungen vor der Synagoge gibt es bisher nicht. Wohl aber Forderungen der Gewerkschaft der Polizei an die Jüdische Gemeinde: Eine pauschale Verunglimpfung der Polizei stehe den Vertretern der Gemeinde nicht zu. DHE