Erika Fuchs, Übersetzerin der deutschen Mickymausausgaben der ersten Stunde, wird 95 Jahre alt

Ächtzkeuchwürg im Sprachtransfer – dem Ingeniör ist nichts zu schwör

Noch jemand feiert Geburtstag: Oma Duck. Sie wohnt in einem kleinen Haus in München und wird an diesem Freitag stolze 95 Jahre alt. Entenhausen verdankt ihr viel. Denn Oma Duck hat den plattfüßigen Bewohnern, die per Schiff über den großen Teich gekommen waren, geholfen, sich in der jungen Bundesrepublik zurechtzufinden. „Erst einmal braucht ihr deutsche Namen“, erklärte sie, machte Scrooge McDuck zu Onkel Dagobert und die Beagle Boys zu Panzerknackern. Dann brachte sie ihnen feinstes Deutsch bei. Selbst der ungebildete Donald begann schon bald zu deklamieren wie der König in „Johanna von Orleans“: „Wächst mir ein Kornfeld auf der flachen Hand? Kann ich Armeen aus dem Boden stampfen?“ Tick, Trick und Track zitierten, leicht abgewandelt, den Rütli-Schwur: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr.“ Oft aber hatten die Kleinen den Schnabel voll. „Ächz“, „keuch“ und „würg“ entfuhr es ihnen dann. Oma Duck hatte Verständnis. Und dafür lieben die Entenhausener sie noch immer.

Die Geschichte lässt sich natürlich auch anders erzählen. Erika Fuchs, wie sie außerhalb Entenhausens heißt, hatte ihr Studium der Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte mit der Promotion abgeschlossen. In München hatte sie studiert, in Lausanne und London. Irgendwann begann sie, aus Spaß englische Literatur ins Deutsche zu übersetzen. Weil es so gut klappte, tat sie es bald für Geld und für Reader’s Digest. Eines Tages hielt ihr ein Redakteur etwas vor die Nase, was sie noch nie zuvor gesehen hatte. Comic nannte er es, und es war eine amerikanische Ausgabe der Mickymaus, die auch den deutschen Markt erobern sollte. Sie solle sich überlegen, ob sie nicht auch so was übersetzen wolle. „So was geht in Deutschland doch nicht“, entgegnete Erika Fuchs. Doch sie fand Gefallen an den Sprechblasen. Am 29. August 1951 erschien die erste deutsche Mickymaus, und Erika Fuchs wurde Chefredakteurin. Mit Sprüchen wie „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ prägte sie die Sprache ganzer Generationen.

1995 übersetzte sie die letzten Geschichten. Seit 2001 gehört sie auch offiziell zu den großen Damen der deutschen Literatur: Im Juli erhielt sie den Roswitha-Preis der Stadt Gandersheim und steht somit in einer Reihe mit Marie-Luise Kaschnitz und Ilse Aichinger. Alle Entenhausener waren da und riefen: „jubel, jubel“. Nur nicht Onkel Dagobert. Dem war der Flug zu teuer.ALEXANDER KÜHN