Nasse Klänge

Der 51-jährige Micky Remann ist Experte für Unterwassermusik und künstlerischer Leiter im neuen Liquidrom

taz: Hören Sie Musik lieber unter oder über Wasser?

Micky Remann: Unter Wasser! Die Klangeigenschaften des Wassers eignen sich für die menschlichen Ohren viel besser als das Medium Luft. Es gibt keine eigenartigen Hall- und Echostörungen, sondern ein kristallklares, homogenes, 360-Grad-Aqua-Dolby-Surround-Erlebnis.

Wie kam die Idee zustande, Konzerte ins Wasser zu verlegen?

Der Anfang lag eigentlich in einer Richtung, die mit Kultur und Schwimmbadinnovation gar nichts zu tun hatte. Es war eine persönliche Neugier von mir, die musische Welt der Wale und Delfine zu erfahren. Ich hatte Kontakt mit amerikanischen Musikern, die sich zum Ziel gesetzt hatten, mit Walen Musik zu machen. Wir haben viel Zeit auf dem Meer verbracht und da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass diese Tiere in einer ganz anderen akustischen Welt leben als wir.

Warum kam Liquid Sound ausgerechnet in Bad Sulza zustande?

Ich wollte mir die Frage beantworten, wie hört sich Musik unter Wasser an. Dann kamen die ersten Experimte – Versuch und Irrtum sozusagen. Und irgendwann traf ich auf Frau Schneider und Herrn Böhm, die Anfang der 90er-Jahre ihre Reha-Klinik in Bad Sulza aufbauten und ein kulturelles Konzept dafür hatten. Letztlich kamen wir aufeinander zu, denn ich suchte einen Ort, wo ich Unterwassermusik konsequent verwirklichen konnte, und sie suchten einen kulturellen Akzent, der aus Bad Sulza mehr macht als ein x-beliebiges Bad.

Seit wann arbeiten Sie zusammen?

Diese Geschichte geht jetzt zurück auf das Jahr 1993, und seitdem gibt es eine relativ rasante Entwicklung von einem kleinen Testbecken, wo wir anfingen, Licht, Wasser und Musik zusammenzubringen, hin zu einer sehr großen, sehr gut laufenden Therme in Bad Sulza.

Woher kommen die Künstler, die die Live-Acts gestalten?

Berliner DJs spielen sehr häufig bei uns in Bad Sulza und werden künftig auch im Liquidrom in Berlin auftreten. Es ist ja nicht nur ein Phänomen, dass Klang sich im Wasser anders verhält als in der Luft. Es ja auch eine künstlerische Herausforderung, mit diesem Medium umzugehen.

Und wie steht es mit der Klassik?

Klassische Musik unter Wasser hat einen ganz großen Fankreis und ist in Bad Sulza ein Dauerbrenner, und das wird es auch hier geben. Letztlich ist uns jeder Künstler willkommen, der sich ernsthaft mit der Tatsache auseinander setzt, dass erstens sich Schall im Wasser anders verhält und zweitens das Publikum, wenn es mit den Ohren unter Wasser ist, sich natürlich in einer ganz anderen Welt bewegt, als wenn man auf Stühlen sitzt oder im Club tanzt.

Wie verhalten sich denn Zuhörer im Wasser?

Es gibt da diese andere körperliche Rhythmik, die man automatisch einnimmt, sobald man ins Wasser tritt. Die wollen wir mit künstlerischen Mitteln noch verstärkt hervorholen. Letztlich ist Liquid Sound, großspurig gesagt, ein neues Genre, das wir geschaffen haben.

Hat dieses Genre auch in anderen Ländern Fuß gefasst?

Nein, jedenfalls nicht in dieser Art. Natürlich gibt es Bäder mit Unterwasserlautsprechern, die werden für Militärs oder für Synchronschwimmer eingesetzt. Aber das Konzept Liquid Sound ist weltweit einzigartig, in der Form, dass man ein Bad extra nur für das Hören unter Wasser konzipiert hat. Unser Konzept geht nicht dahin, dass wir ein Becken nehmen und da einen Unterwasserlautsprecher reinhängen. Sondern wir nehmen den inneren Zustand, den man hat, wenn man Musik durch sich hindurch fließen lässt, und bauen uns eine architektonische Hülle dazu, die zu diesem inneren Zustand passt. Deshalb sieht die Therme in Bad Sulza eben anders aus als andere Thermen. Und deshalb wird auch das Liquidrom nicht unbedingt aussehen wie ein Schwimmbad. Sondern es ist eine Veranstaltungshalle, die sich der speziellen Mittel und Musik bedient.

Welche Technik ist da nötig?

Es gibt weltweit kaum praktische Erfahrungen, wie man optimal Klänge ins Wasser bringen kann. In den acht Jahren, in denen wir Liquid Sound in Bad Sulza anbieten, haben wir uns schon sehr verbessert. Und die technischen Erfahrungen, die wir dort gemacht haben, beeinflussen natürlich den Standard im Liquidrom. Dort werden wir die bestmögliche Unterwasserbeschallung installieren. Aber es kommt ja nicht nur auf die Technik an, sondern auf das Zusammenspiel von Licht, Musik und einem künstlerische Konzept. Und das alles dreht sich um das eigene Wohlergehen im Wasser.

INTERVIEW: CHRISTINE BERGER