Felix stand Pate

Fast wäre die Finanzierung des Neuen Tempodroms gescheitert. Ein Rückblick

Die Verleihung des „Felix“ vor genau einer Woche hatte für das Tempodrom gewissermaßen Symbolwert. Schließlich machte der Glückliche, wie der Europäische Filmpreis ins Deutsche übersetzt heißt, nicht nur den Empfänger Jean-Pierre Jeunet glücklich, sondern steht ebenso für die am Ende glückliche Baugeschichte ein, die genauso gut in eine finanzielle Katastrophe hätte münden können.

Ursprünglich sollte der neue zwölfgezackte Stern am Firmament der Berliner Kulturszene 32 Millionen Mark kosten. Doch das ist lange her. Ein längeres Leben war der Prognose beschieden, dass der Bau wohl doch nur für rund 45 Millionen Mark zu haben sei. Die Landesbank gab dafür einen Kredit in Höhe von knapp 22 Millionen Mark, aus der Lotteriestiftung kamen sechs Millionen Mark. Weitere sechs Millionen kommen aus einem Vergleich für die erzwungene Aufgabe des Standortes im Tiergarten. 3,7 Millionen Mark stammen aus Sponsoring und Betreiberzuschüssen. Doch, wie eigentlich bei jedem Bau, verließ die umtriebige Kulturveranstalterin Irene Moessinger das Glück.

Für eine Kostenexplosion sorgten mehr oder weniger alle Gewerke: Der Baugrund erwies sich als kontaminiert, ein Brandschutzgutachten hielt eine Sprinkleranlage für verzichtbar. Doch die Genehmigungsbehörde sah das und manch anderes auch anders. Allein die Aufsehen erregende, aber architektonisch schwierige Dachkonstruktion sorgte für plötzliche Mehrkosten in Höhe von drei Millionen.

Das Tempodrom war praktisch pleite, die fehlenden knapp 13 Millionen Mark drohten das ganze Projekt zu vernichten. Dem Land Berlin konnte die fatale Situation nicht gleichgültig sein, denn es hatte Bürgschaften in zweistelliger Millionenhöhe übernommen, weitere zehn Millionen Mark EU-Mittel aus einem Umweltförderprogramm hätten zurückgezahlt werden müssen. „Um die hohen Folgekosten einer Bauruine zu vermeiden“, so Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), wurde eilig nachgelegt. Sein Ressort gab 3,5 Millionen, die Lotteriestiftung noch einmal vier Millionen, weitere rückzahlbare 5,3 Millionen Mark im Rahmen eines Sponsoringvertrags die Investitionsbank Berlin (IBB). „Diese Rettungsaktion war noch die kostengünstigste Version“, begründete Strieder das Engagement des Landes. So sind stattliche 60 Millionen Mark zusammengekommen – und gleichzeitig eine steinschwere Schuldenlast.

Das war 1995, als man sich in fröhlicher Unbekümmertheit „steinreich“ sammeln wollte, nicht abzusehen. Als klar war, dass die Stätte im Tiergarten dem neuen Bundeskanzleramt würde weichen müssen, startete vor sieben Jahren die Aktion „Steinreich“: Jeweils 100 Mark kosteten die Bausteine für das neue Tempodrom, die jeder Käufer individualisieren durfte. Insgesamt 3.000 solcher Steingestalter haben sich mit ihrem Werk im Neuen Tempodrom verewigt.

Ende gut, alles gut? Nicht ganz, denn die vergeigte Finanzierung bleibt nicht folgenlos. Moessinger musste aus dem Stiftungsrat, der Eigentümer und Bauherr des Tempodroms ist, ausscheiden. In dem fünfköpfigen Gremium regieren jetzt Sparkommissare des Landes.

Moessinger bleibt im Rahmen eines auf 20 Jahre geschlossenen Pachtvertrages die Betreiberin der Kulturstätte. „Ich kann damit leben, dass ich nicht mehr Eigentümerin bin“, sagt sie. Bei der viel heikleren Frage, ob sie ihren unkonventionellen Veranstaltungsmix beibehalten und frei bestimmen kann, gibt sie sich kämpferisch: „Ich lasse nicht zu, dass in das Programm hineingeredet wird.“

Der neue Vorsitzende des Stiftungsrates, IBB-Mann Peter Dankwart, widerspricht nicht. „Eine unmittelbare Einflussmöglichkeit haben wir nicht und wollen wir nicht.“ Denn Moessinger habe das Tempodrom bisher „professionell und erfolgreich“ betrieben. Der Business Plan sei „rauf und runter“ geprüft worden: „Wir glauben an Frau Moessinger und die vorgelegten Zahlen, sonst hätte sich die IBB gar nicht engagiert.“

Felix? Felix!

TILMAN VON RHODEN