europäischer haftbefehl: Berlusconi passt nicht zur EU
Niemand hatte geglaubt, dass der italienische Justizminister Roberto Castelli seine Ankündigung wahr machen würde. Trotzdem hat er es getan: Italien will nur 6 der 32 Straftatbestände akzeptieren, für die künftig ein europaweit vollstreckbarer Haftbefehl gelten soll. Dabei feilen die Fachleute seit langem an der Vereinbarung. Die meisten EU-Justizminister hatten von ganz oben die Anweisung, rechtssystematische Bedenken zu überwinden. Denn die europäischen Staatschefs wollen Ende nächster Woche auf dem Abschlussgipfel im belgischen Laeken ein Anti-Terror-Paket präsentieren, das ihre Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit beweist.
Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER
Auf den Empfang, den sie dem Quertreiber Berlusconi in Laeken bereiten werden, darf man gespannt sein. Aber die Möglichkeiten, Italien zum Einlenken zu zwingen, sind begrenzt.
Nun rächt sich, dass die EU-Mitgliedsstaaten und Institutionen fast kommentarlos zur Tagesordnung übergingen, als Mitte Mai deutlich wurde, wer in Italien an die Macht gewählt worden war. Aus Angst, die wirkungslos verpuffte Anti-Haider-Kampagne könne sich wiederholen, haben die anderen EU-Länder es versäumt, ihre Glückwunschtelegramme nach Rom mit einer deutlichen Warnung zu kombinieren. Während Österreich bis heute streng daraufhin beobachtet wird, ob die konservativ-rechtsnationale Regierung die demokratischen Grundrechte respektiert, bleiben die Vorgänge in Italien unkommentiert.
Unterdessen hat Berlusconi begonnen, die italienische Rechtsordnung umzuschreiben und Richter einzuschüchtern. Zwar ist Artikel 6 des Nizza-Vertrags, der Rechtsstaatlichkeit als EU-Grundwert bezeichnet, noch nicht in Kraft. Man könnte Berlusconi aber bereits vorsorglich darauf aufmerksam machen, dass die Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit den Prinzipien des Rechtsstaats widerspricht – und damit nach einstimmiger Beschlusslage der Union mit der EU-Mitgliedschaft unvereinbar ist. Der neue Artikel 7 des Nizza-Vertrags legt genau fest, unter welchen Bedingungen ein Mitgliedsstaat zeitweise kaltgestellt werden kann. Das könnte bedeutsam werden, wenn nach der Erweiterung eine der jungen Demokratien im Osten aus dem Ruder läuft. Aber auch ein EU-Gründungsmitglied wie Italien muss sich an Vertragsgrundlagen halten. Wenn man Berlusconi in Laeken den Vertragstext unter die Nase hält, pfeift er seinen eifrigen Justizminister vielleicht zurück.
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