Alte Repression im „neuen Mexiko“

Auch nach dem Ende von 71 Jahren PRI-Herrschaft dauern schwere Menschenrechtsverletzungen an, so„amnesty“

MEXIKO taz ■ Menschenrechtsverletzungen sind in Mexiko noch immer „weit verbreitet“, so amnesty international (ai) in einem Bericht, der heute vorgestellt wird. Wie ai darlegt, waren und sind mexikanische Menscherechtler einem breiten Repertoire an Repressalien ausgesetzt – auch unter dem neuen Präsidenten Vicente Fox. Gemeinsam ist den Übergriffen, dass in ihnen „Angestellte auf allen Ebenen des Staates“ verstrickt und dass sie von „hochstehenden Regierungsfunktionären geduldet“ worden seien.

Typisch seien „politisch motivierte“ Anklagen gegen Aktivisten, denen mit fabrizierten Beweisen Autodiebstähle, Aufhetzung zur Gewalt oder Mord zur Last gelegt werden. Auch Verleumdungsklagen seien beliebt. Menschenrechtler würden in „öffentlichen Schmutzkampagnen“ in Verbindung mit Mafias oder „Terroristen“ gebracht. Misshandlung, Freiheitsberaubung und Mordversuche durch polizeiliche, militärische oder paramilitärische Kräfte in Mexiko sind laut ai noch immer „üblich und weit verbreitet“.

Zwar begrüßt die Organisation die „Offenheit“ der Regierung Fox im Hinblick auf internationale Zusammenarbeit. Die früheren PRI-Regierungen hatten das Engagement ausländischer Gruppen stets als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ kritisiert. Der neue Präsident hat nun einen Großteil der gegen Menschenrechtler verhängten Einreiseverbote aufgehoben. Dennoch sei die Mehrheit der dokumentierten Fälle ungelöst und es gebe „wenig Anhaltspunkte“ dafür, dass diese Praktiken grundsätzlich gestoppt worden seien. Schutz für Aktivisten sei immer erst das Resultat internationalen Drucks und letztlich „wenig mehr als ein Public-Relations-Manöver“ gewesen.

Als solches werten kritische Stimmen auch die kürzliche Freilassung der prominentesten Mandanten der am 19. Oktober ermordeten Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa, die Bauern Rodolfo Montiel und Teodoro Cabrera. Sie hatten gegen Holzfäller-Lobbys mobilisiert, wurden im Mai 1999 wegen angeblichen Drogenhandels und Waffenbesitzes verhaftet, unter Folter zu Geständnissen gezwungen und trotz internationaler Proteste und Umweltpreise zu langjähriger Haft verurteilt. Knapp drei Wochen nach Ochoas Erschießung wurden Montiel und Cabrera auf präsidiales Geheiß aus der Haft entlassen – aus „humanitären Gründen“. Die Foltervorwürfe drohen nun im Sande zu verlaufen. ANNE HUFFSCHMID